Kinder der Nacht
Zimmer im Gebäude der UNICEF in der Ştirbei-Vodă-Straße gemacht und einen Anzug angezogen, den er als seinen Mutant-Hero-Priesteranzug bezeichnete: schwarzes Hemd, schwarze Jacke, schwarze Hosen, Priesterkragen. Er führte Kate zu einer kleinen Dacia-Limousine, die hinter dem gotischen Gebäude parkte, danach holperten sie über Backstein- und Kopfsteinpflaster zum Hotel Lido am Magheru-Boulevard. Aber statt dort anzuhalten, war O'Rourke in die Strada C. A. Rosetti eingebogen, um den Block gefahren und hatte jedesmal gebremst, wenn sie das dunkle Hotel passierten.
»Was wollen wir ...«, begann Kate, als sie zum drittenmal an dem Hotel vorbeischlichen.
»Augenblick ... da«, hatte O'Rourke gesagt und mit dem Finger gezeigt. Ein mit Kleidung aus dem Westen bekleidetes Paar war aus dem Hotel gekommen, hatte mit einem großen Mann im Ledermantel geschwatzt, und dann hatten alle drei auf dem Rücksitz eines Mercedes Platz genommen, der im Parkverbot am Bordstein hielt. O'Rourke hatte den Dacia ins Dunkel unter den Bäumen der Strada Franklin gefahren und die Scheinwerfer ausgeschaltet. Einen Augenblick später, als sich der Mercedes in den spärlicheren Verkehr einfädelte, folgte er ihm.
»Freunde von Ihnen?« fragte Kate, die dieser Mantel-rund-Degen-Unsinn etwas verunsicherte.
Zwischen den dunklen Linien seines gepflegten Barts sahen O'Rourkes Zähne ausgesprochen weiß aus. »Selbstverständlich Amerikaner. Ich wußte, daß sie sich etwa um diese Zeit mit dem Mann treffen würden.«
»Adoption?«
»Freilich.«
»Haben Sie etwas damit zu tun?«
O'Rourke sah sie an. »Noch nicht.«
Sie waren dem Mercedes den Boulevardul Magheru entlang gefolgt, bis die Straße in den Boulevardul Nicolae Bălcescu überging, hatten wie der Mercedes im Kreisverkehr am Plaza Universitatii westliche Richtung eingeschlagen und folgten ihm, bis die breite Prachtstraße des Boulevardul Republicii zur Gheorge Gheorghiu-Dej wurde. Als sie den betonierten Kanal überquert hatten, der einmal der Fluß Dimboviţa gewesen war, fuhren sie durch ein Viertel mit Wohnkasernen und Elektronikfabriken aus der Ära Stalin Richtung Westen. Hier waren die Straßen breit, mit tiefen Schlaglöchern, und weitgehend menschenleer, abgesehen von Gruppen dunkel gekleideter Fußgänger, ab und zu einem rasenden Taxi und ratternden Straßenbahnen. Die Geschwindigkeitsbegrenzung betrug fünfzig Stundenkilometer, aber der Mercedes beschleunigte rasch auf hundert, und O'Rourke peitschte den Dacia, damit sie den Anschluß nicht verloren.
»Ein Verkehrspolizist wird Sie anhalten«, sagte Kate.
Der Priester nickte zum Handschuhfach. »Falls es soweit kommt, habe ich vier Stangen Kent da drinnen«, sagte er und scherte aus, um einer Gruppe Fußgänger auszuweichen, die mitten auf dem Boulevard stand. Die Straße wurde vom fahlen Schein vereinzelter Natriumdampflampen beleuchtet, die sehr weit auseinanderstanden.
Plötzlich wurden die häßlichen Mietshäuser spärlicher, dann verschwanden sie völlig, und die beiden befanden sich mit einemmal auf dem Land, wo sie noch mehr beschleunigen mußten, damit sie die Scheinwerfer des Mercedes nicht aus den Augen verloren. Kate sah ein Hinweisschild vorbeihuschen: A-1, AUTOSTRADA BUKAREŞTI-PITEŞTI, PITEŞTI 113 KM.
Die Fahrt dauerte etwas länger als eine Stunde, und sie und der Priester sprachen nur wenig miteinander: Kate, weil sie so erschöpft war, daß es ihr schwerfiel, Worte zu formen, O'Rourke offensichtlich, weil er eigenen Gedanken nachhing. Die Straße bestand aus der Nachbildung einer amerikanischen Interstate ohne Böschung, aber dafür mit Schlaglöchern, aber das Land, das rechts und links vorbeizog, war viel dunkler, als Kate die Landschaft in den Staaten in Erinnerung hatte. Lediglich vereinzelte Dörfer waren in der Ferne von der Straße aus zu erkennen, und selbst diese leuchteten nur schwach, wie von Petroleumlampen statt von elektrischem Licht.
Piteşti mit seinen Flammenmauern, die himmelwärts loderten, war ein um so größerer Schock.
Der Mercedes nahm die erste Ausfahrt Richtung Piteşti, und O'Rourke folgte und näherte sich allmählich, indem er beschleunigte. Die Ausfahrt führte sie wenig später auf eine spärlich beleuchtete Landstraße, dann auf eine noch schmälere Straße ohne Beleuchtung. Hier machten die Mietshäuser einen noch trostloseren Eindruck als in Bukarest; es war noch nicht einmal zehn Uhr, aber lediglich einige wenige Lampen leuchteten hinter Vorhängen. Die grauen,
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