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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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der AD«, sagte Kate. »Aber ich möchte jeden erdenklichen visuellen Querverweis.«
    Alan nickte und machte sich auf einem kleinen Block eine Notiz.
    »Wir haben sämtliche Labordaten bis sechs zurück«, sagte Teri.
    »Ich kümmere mich darum, daß McPherson sie persönlich auswertet.«
    Kate klopfte der Schwester mit der freien Hand auf die Schulter.
    »Huch«, sagte Teri. Joshuas Pflaster hatte sich an den Kopfhalterungen gerieben und gelöst. Teri zog es ab. »Ich glaube, dieses alte Ding brauchen wir nicht mehr, Süßer, oder?«
    Alan sah Kates Zögern und ihre plötzliche Aufmerksamkeit. »Was ist?« fragte er mit besorgter Stimme.
    Kate achtete darauf, daß ihre Stimme ruhig und gelassen klang. »Nichts. Ich habe nur gehofft, daß das alles seinen Schlafrhythmus nicht durcheinanderbringt.«
    Kate schwang ihren Sohn leicht herum, hielt seine Stirn näher an das Licht und brachte das erste Lächeln des Nachmittags zustande. Sie beugte sich über ihn und küßte ihn, so daß ihre Augen nur wenige Zentimeter von seiner angenehm duftenden Kopfhaut entfernt waren.
    Die häßliche Prellung und die Aufschürfung, die er vor nicht einmal zwei Stunden bekommen hatte, waren verschwunden. Kein Blutstau unter der Haut, keine Spur von einer Schwellung oder einem dauerhaften Hämatom, nicht der geringste Rest von Schorf, der eigentlich erst frühestens in einer oder zwei Wochen hätte nachlassen dürfen.
    Die Wunde war weg. Als hätte sie nie existiert.
    »Es dürften faszinierende Daten werden«, sagte Alan. »Ich kann es kaum erwarten.«
    »Ich auch«, sagte Kate, die dem Baby in die Augen sah und feststellte, daß ihr Herz heftig gegen die Rippen schlug. »Ich auch.«

Kapitel 15
     
    Am Samstagvormittag kam Tom mit seinem Landrover zu Kates Haus gefahren, sie packte Picknicksachen in den Rucksack. Tom verstaute Joshua in der Rückentrage, dann bewältigten sie die knappe Meile zum Bald Mountain. Technisch gesehen gehörte der Bald Mountain zum Stadtparksystem von Boulder, aber er lag so weit von der Stadt entfernt, daß nicht viele Wanderer und Ausflügler hin kamen. Kate hatte die Aussicht immer gemocht; der Berg war soviel höher, als ihr Haus lag, daß er Ausblick auf ein größeres Panorama von hohen Gipfeln und Ebenen bot.
    Die Julisonne brannte heiß, daher machten sie mehrmals Rast, als sie den Berg erklommen, und ließen sich von der Brise abkühlen. Einmal sah Kate dabei sie drei wie von außerhalb ihres Körpers: Joshua wohlauf und glücklich auf Toms breitem Rücken, ihr Ex-Mann grinsend und überhaupt nicht außer Atem, sie selbst mit windzerzaustem Haar, heißer Sonnenschein auf ihren bloßen Beinen. Sie konnte nicht anders, sie verspürte eine Regung der Sehnsucht nach dieser Familie, die es nie gegeben hatte.
    Auf dem Gipfel des Bald Mountain gab es fast keine Bäume, was sie Aussicht um so eindrucksvoller machte. Kate breitete die Decke aus, die sie mitgebracht hatte, sie setzten Joshua ab, damit er spielen konnte, und Tom packte die Picknicksachen aus. Der Himmel war eine makellose blaue Kuppel, Hitzeflimmern waberte auf den Hochebenen im Osten, und Kate konnte sehen, wie sich das Sonnenlicht auf Windschutzscheiben auf dem schmalen Band der Boulder Turnpike Richtung Denver spiegelte. Nur winzigste Schneekuppen verblieben auf den Indian Peaks im Westen.
    »Eingelegte Eier«, sagte Tom. »Du Goldstück.«
    Kate haßte eingelegte Eier, erinnerte sich aber, daß Tom verrückt danach war. Sie schnitt eine Scheibe von dem französischen Weißbrot ab und belegte es mit Truthahn. Joshua schenkte dem Essen gar keine Beachtung, sondern krabbelte über Toms Knie, damit er von der Decke herunter auf das Gras gelangen konnte.
    Kate fing ein altes Spiel an, das sie und Tom immer bei ihren Ausflügen gespielt hatten. »Was ist das da drüben für ein Baum?« fragte sie.
    Tom drehte sich nicht einmal um. »Goldkiefer.«
    »Das hab' ich gewußt«, sagte Kate.
    »Dann sag mir etwas Schwereres.«
    Sie hob eine Handvoll des sandigen, kiesigen Bodens auf, auf dem sie saßen. »Wie nennt man das hier?«
    »Dreck«, sagte Tom. Er stellte sich ein Sandwich von gargantuanischen Ausmaßen zusammen.
    »Komm schon, Balboa«, sagte sie, »sei friedlich.« Das war ein alter, alberner Witz zwischen ihnen.
    Tom hob mit der freien Hand etwas von der Krume auf. »Das nennt man Grus«, sagte er. »Es ist lediglich eine erodierte Version des Granits, aus dem diese Berge bestehen.«
    »Was bringt ihn zum Erodieren?« Kate wurde dieses

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