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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Sollte nicht Knochenmark statt Blut dem Immunsystem des Kindes helfen?«
    »Stimmt. Nun, ich habe die Resultate unseres letzten Tests gesehen, und es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Bluttransfusion eine bemerkenswerte Regeneration seines Immunsystems bewirkt hat. Binnen einer Stunde nach Injektion des Blutes waren Joshuas WBK wieder normal ...«
    »Was sind WBK?« fragte Tom. Er sah dem Kind beim Krabbeln zu und lauschte gleichzeitig.
    »Weiße Blutkörperchen.« Kate trank noch einen Schluck Kaffee. »Aber das ist noch nicht alles, seine Werte von T- und B-Zellen schossen wieder auf das Normalmaß hoch. Sogar höher als normal. Die Gammaglobulinwerte stiegen rapide. Und das Unheimlichste ist das Enzym, von dem ich dir erzählt habe - das in seinem Stoffwechsel vollkommen fehlt.«
    »Adenosin irgendwas«, sagte Tom.
    »Adenosindeaminase. Genau. Nun, seine ADA-Werte waren innerhalb von einer Stunde nach der Transfusion wieder auf normal zurückgekehrt.«
    Tom runzelte die Stirn. »Aber das ist doch gut ... oder nicht?«
    »Es ist super«, sagte Kate und bemühte sich, nicht gefühlsduselig zu werden, »aber es ist unmöglich.«
    »Warum?«
    Kate nahm einen Zweig und zeichnete einen Kreis in den grobkörnigen Boden, als könnte sie alles mit Hilfe von Diagrammen erklären. »ADA-Mangel ist eine genetisch bedingte Krankheit«, sagte sie. »Das Gen für ADA ist das Chromosom 20. Wir wissen, wie es funktioniert, aber wir sind nicht sicher, warum es so wichtig ist. Ich will damit sagen, die Gründe, weshalb Adenosinmetaboliten toxisch sind, sind nicht völlig geklärt, aber wir wissen, es hat etwas mit der Hemmung von Nukleotidreduktase durch Deoxyadenosintriphosphat zu tun ...«
    »Mann!« sagte Tom und hielt eine Hand hoch. »Wieder zurück, warum es unmöglich ist.«
    »Entschuldige.« Kate wischte Kreis und Krakel auf dem Boden aus. »Es ist ein genetischer Defekt, Tom. Das Gen ist entweder da oder nicht. Wir können ein rotes Blutkörperchen von Joshua ansehen und wissen, ob ADA erzeugt wird oder nicht.«
    »Wird es?«
    Kate biß sich auf die Lippe. »Nein. Ich meine, es wird nicht auf natürliche Weise erzeugt. Aber nach einer Bluttransfusion kommt sein Immunsystem plötzlich auf Vordermann, und er produziert ADA, als gäbe es bald keins mehr.«
    Tom nickte. »Aber du verstehst nicht, wie er seine neue Fähigkeit bekommt, die Substanz zu erzeugen. Ich meine, man kann kein Gen aus dem Blut von jemand anderem borgen, richtig?«
    »Genau. Wir können dieses ADA-erzeugende Gen bei Kindern mit SCID - dieser Immunschwäche - nur bekommen, indem wir entweder eine Kochenmarkstransplantation von einem Zwilling vornehmen, oder aber mit einem neuentwickelten Gentherapieprogramm, das gerade erforscht wird, bei dem man das Humangen mittels eines Virus in den Patienten splittet ...«
    Tom blinzelte. »Mit einem Virus! Macht das den Patienten nicht noch kränker?«
    Kate schüttelte den Kopf. »Viren müssen nicht schädlich sein. Tatsächlich sind die meisten sogar harmlos. Und für die Gentherapie sind Retroviren perfekt.«
    Tom pfiff durch die Zähne. »Retroviren? Damit sind wir im AIDS-Gebiet, Kat, oder nicht?«
    Kate, die immer noch nachdachte, nickte nur. »Das macht ja diese Art von Gentherapie so interessant. Der HIV-Retrovirus hat uns aufgerüttelt, weil er so tödlich ist, aber die geklonten Retroviren, die die Gentechniker benutzen, sind harmlos. Ein Retrovirus greift nicht einmal die Zelle an, in der er sich einnistet. Er dringt einfach in die Zelle ein, fügt seine eigene genetische Programmierung dort ein und überläßt die Zelle dann wieder sich selbst.«
    Tom richtete sich auf und schenkte ihnen noch Kaffee ein. Joshua war im Kreis gekrabbelt, jetzt kam er zurück und spielte mit Toms Schnürsenkeln. Es gelang ihm, so lange an einem zu zupfen, bis er ihn geöffnet hatte. Tom grinste und machte ihm auch noch den anderen auf. »Du willst damit sagen, diese Gentherapie könnte Joshuas Leben retten, indem ihr ihm einen harmlosen Retrovirus eingebt, der die Zellen dazu bringt, ADA zu erzeugen.«
    »Das könnten wir«, sagte Kate, die Kaffee trank und in die Ferne sah, »aber wir müssen es nicht. Irgendwie benutzt Josh das Blut, das wir ihm geben, zu genau demselben Zweck. Irgendwie bricht sein Körper die genetische Struktur dieses Blutes auf, findet die Zellbausteine, die er braucht, um die Immunschwäche seines eigenen Körpers zu überwinden, und verteilt sie binnen einer Stunde in seinem gesamten

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