Kinder der Nacht
gerufen. MR- und CT-Ausrüstung waren zwar möglicherweise für lebende Patienten nicht erforderlich, erklärten diese, aber für die Leichen - menschliche und tierische -, die die raison d'être der tagtäglichen Plackerei von Pathologie und Biolabor bildeten, waren sie absolut unverzichtbar. Mauberly hatte eingewilligt.
Alan empfing Kate im Kellerflur auf halbem Weg zwischen Tomographieraum und den abgeriegelten Laborzentren. Joshua war schon öfter hier gewesen und hatte keine Angst, aber heute erwartete ihn eine häßliche Überraschung, da Schwester Teri Halloway mit IV-Kanüle und -Nadel im Tomographieraum auf ihn wartete. Joshua schrie, als die Nadel an der Innenseite seines mageren Arms eingeführt wurde. Kate bemühte sich, nicht zusammenzuzucken. Sie hätte die Transfusion selbst gemacht, aber Teri war sanfter im Umgang. Tatsächlich hörte Joshua nach einem Pro-forma -Protest gleich wieder auf zu weinen und legte sich blinzelnd zurück. Alan und Kate halfen, ihn auf die Aufnahmepalette zu legen, wobei sie seinen Kopf mit Kissen und breiten Bandstreifen fest an Ort und Stelle hielten und ihm auch die Handgelenke an den Kissen festklebten. Der Anblick war zum Steinerweichen, aber sie durften das Risiko nicht eingehen, daß das Baby sich während der Aufnahmesequenz bewegte und zappelte. Das würde nicht nur die CT-Bilder ruinieren, sondern auch die Biosensoren abschütteln, die Teri anbrachte, damit sie physiologische Veränderungen in Echtzeit mitverfolgen konnten. Kate beugte sich über Joshua und gurrte während der ganzen Vorbereitungszeit mit ihm, wobei sie sein Lieblingsplüschtier - einen Pu-Bären, dem ein Auge fehlte -, mit ihm sprechen und spielen ließ. Er schien kaum zu bemerken, als Teri ihm für den ersten von zahlreichen Bluttests in den Finger stach. Die Schwester nickte Kate zu, schenkte Joshua ein Lächeln und begab sich hastig ins Labor nebenan.
Schließlich legte Kate den Pu neben ihren Sohn und verließ das Zimmer. Hinter ihr glitten luftdichte Türen ins Schloß. Sie gesellte sich zu Alan an der Konsole seiner Videomonitore.
»Kommt seine laufende Nase vom Weinen, oder haben sich die Grippesymptome wieder eingestellt?« fragte Alan.
»In den letzten drei oder vier Tagen«, sagte Kate. »Die Diarrhöe ist auch wieder da.«
Alan nickte und deutete auf die Daten der Biosensoren. »Seine Temperatur nähert sich achtunddreißig-fünf. Und sehen Sie sich die Resultate der ersten Tests an, die Teri durchgeführt hat.«
Kate sah sie an. Die Daten aus dem Labor wurden durch den MR/CT-Kontrollraum direkt eingespeist. Dem ersten Test zufolge zeigte sich bei Joshua der für SCID typische Mangel an weißen Blutkörperchen - die WBK-Rate lag bei 930 Lympnozyten/μ1-, dazu das klassische Absinken der T-Zellen-, B-Zellen- und Gammaglobulinwerte. Darüber hinaus lagen die Leberenzymwerte zu hoch, und es gab Anzeichen eines Elektrolytungleichgewichts.
»Scheint sich um GVH-Probleme zu handeln«, sagte Alan.
Kate klopfte mit einem Kugelschreiber an ihre Zähne. »Ja, aber seit der letzten Transfusion ist fast ein Monat vergangen, und damals sind keine Transplantat-gegen-Wirt-Reaktionen aufgetreten. Sein Körper hat keine Schwierigkeiten mit dem neuen Blut - er scheint sein eigenes System abstoßen zu wollen.« Sie sah auf den Monitor. Der auf die Aufnahmepalette geschnallte Joshua wirkte winzig und unbedeutend. Sie konnte sehen, wie er beim Weinen den Mund bewegte, aber kein Laut war zu hören. Kate schaltete die Audioübertragung ein und justierte das Mikrofon, damit er sie hören konnte. »Schon gut ... Mama ist hier ... alles in Ordnung.«
Sie nickte Alan zu. »Bringen wir es hinter uns, und holen wir ihn da raus.«
Alans Finger huschten über die Tastatur, als wäre sie ein Wurlitzer-Klavier. Joshuas Aufnahmepalette schob ihn in den CT-Torus, und Kate sah das surrealistische Bild eines menschlichen Artilleriegeschosses vor sich, das in eine Plastikkanone geladen wurde. Sie beobachtete, wie der Display anzeigte, daß der IV-Tropf für den gesamten Blutkreislauf geöffnet worden war, dann, wie die Biosensoren Joshuas Reaktionen darauf übermittelten. Dreidimensionale Abbildungen seiner Leber, Milz und der Unterleibslymphknoten entstanden auf den Monitoren.
»Damit wir das richtig machen können«, sagte Alan und sah von Monitor zu Monitor, »sollten wir seine Milz scannen und dabei 99m Tc-Kolloid oder hitzezerstörte rote Blutzellen verwenden, damit wir einen eindeutigen Überblick über das
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