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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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holte tief Luft. »Nur mit Bluttransfusionen.«
    »Bluttransfusionen?« Seine Stimme klang beinahe schrill. »Vor oder nach der Diagnose?«
    »Vorher.«
    »Bockmist«, sagte der Forscher. Kate hatte noch nie gehört, daß er einen Fluch oder ein Schimpfwort ausgesprochen hätte. »Absoluter Bockmist. Erstens: Autoimmunrekonstruktion gibt es nur in Comic strips. Zweitens: Serum oder unbestrahlte Transfusionen für dieses Kind vor der Diagnose hätten es mit Sicherheit umgebracht ... und keine wundersame Besserung bewirkt. Du kennst die Probleme, die eine allogene Transfusion hervorrufen kann, Kate - tödliche Transplantat-gegen-Wirt-Krankheit, progressive allgemeine Vakzinitis - verdammt, du weißt, wie die Folgen aussehen würden. Etwas an diesem Bild stimmt nicht ... entweder eine Fehldiagnose auf rumänischer Seite oder ein völliger Murks bei der Zählung der T-Zellen oder sonst etwas.«
    »Ja«, stimmte Kate zu, obwohl sie genau wußte, daß die Daten stimmten. »Tut mir leid, daß ich dich deswegen aufgehalten habe, Paul. Die ganze Sache ist nur ein bißchen chaotisch.«
    »Das ist noch untertrieben«, antwortete die Stimme ihres Freundes. »Aber wenn jemand dahinterkommt, dann du, Kate.«
    »Danke, Paul. Wir hören bald voneinander.« Sie legte den Hörer auf und sah auf die verlassene Wiese hinaus.
    Zwei Stunden später, als ihre Sekretärin ihr mitteilte, daß Julie mit dem Baby da war, sah sie immer noch hinaus.
     
    Auch nach fünfzehnjähriger Dienstzeit als Ärztin war Kate der Meinung, daß es keinen traurigeren Anblick auf Erden gab als ein Kind, das von modernen medizinischen Geräten umgeben ist. Jetzt, als Mutter, die mit ansehen mußte, wie ihr Kind spitzen Nadeln und furchteinflößenden Maschinen ausgesetzt wurde, fand sie es doppelt traurig.
    Julie war weinend hereingekommen und hatte sich entschuldigt. Kate brauchte ein paar Minuten, bis sie herausfand, daß Julie das Kind einen Augenblick im Kindersitz auf dem Vordersitz des Miata losgemacht hatte - »nur während ich den Geburtstagskuchen in dem winzigkleinen Kofferraum verstaut habe« -, und das Kind war herausgefallen und hatte sich den Kopf am Armaturenbrett angeschlagen. Die Wunde hatte ein wenig geblutet. Joshua hatte schon wieder aufgehört zu weinen, aber Julie war immer noch aus dem Häuschen.
    Kate hatte sie beruhigt, hatte ihr gezeigt, wie klein die Aufschürfung war - die zugegebenermaßen eine ordentliche Beule geben würde -, und anschließend eine kleine Parade bestehend aus Josh, Julie, Kates Sekretärin Arleen, ihrem Büronachbarn Bob Underhill - einem weltweit führenden Experten für erbliche, nospherozytische, hämolytische Anämie - und dessen Sekretärin Calvin bei der Suche nach einem Desinfektionsmittel und einem Pflaster angeführt. Kate fand es erheiternd, und selbst Julie kicherte unter Tränen, daß sie sich im Center for Disease Control in den Rocky Mountains befanden, einem Sechshundert-Millionen-Dollar-Forschungszentrum mit medizinischen Labors und Diagnoseeinrichtungen auf dem neuesten Stand der Technik - und keine Jodtinktur oder Heftpflaster finden konnten.
    Schließlich fanden sie ein Desinfektionsspray und Pflaster im Büro des Verwaltungschefs - eines fanatischen Joggers, der häufig stürzte -, Calvin brachte einen Lutscher für Joshua, Julie verabschiedete sich in besserer Stimmung, und Kate brachte ihr Baby zur Tomographie im Keller.
    Als das Zentrum in den NCAR-Komplex umgezogen war, hatte sich Dr. Mauberly - Verwaltungschef und Doktor der Epidemiologie, Dr. phil., kein Dr. med. - gegen die Anwesenheit eines Magnetresonanzbildgeräts im selben Komplex wie der ganze Stolz des CDC, die beiden Cray-Computer im ersten Stock, ausgesprochen. Mauberly und die anderen wußten, in den Anfangstagen der MR-Aufnahmen hatten fehlerhafte Abschirmungen Armbanduhren ruiniert und Autos draußen auf der Straße gestoppt. So oder ähnlich lauteten die Gerüchte. Dr. Mauberly wollte bei den Crays, die einen beachtlichen Teil des Budgets des RM-CDC darstellten, kein Risiko eingehen.
    Alan Stevens und die anderen Techniker hatten den Verwaltungschef überzeugt, daß Hirn und Datenbahnen der Crays von den MR- und CT-Scannern keine Gefahr drohte; Alan hatte gezeigt, wie der Tomographiekomplex im Keller elektronisch vom Rest der Welt abgeschirmt werden würde, buchstäblich in einem Zimmer innerhalb eines Zimmers. Als Dr. Mauberly immer noch zögerte, hatte Alan die Pathologen und Sonnyboys des Biolabors Klasse IV zu Hilfe

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