Kinder der Nacht
über eine mögliche Einbeziehung der Weltgesundheitsorganisation und anderer Stellen.«
Kate konnte sich vorstellen, wie Forscher auf der Suche nach anderen Trägern des J-Virus in Rumänien einfallen würden.
»Doktor Chandra«, sagte Mauberly, »möchten Sie uns im gegenwärtigen Stadium über die Ergebnisse der Erforschung des J-Virus hinsichtlich unserer Suche nach einer Heilmethode für HIV informieren?«
»Nein«, sagte Chandra.
Mauberly nickte und räusperte sich. »Nun gut«, sagte er, »aber möglicherweise bald?«
»Bald«, stimmte Chandra zu.
Ken Mauberly steckte den Füller wieder in die Hemdentasche und klatschte in die Hände. »Nun denn. Ich könnte mir vorstellen, daß sich alle wieder an die Arbeit begeben wollen. Ich möchte nur noch sagen ...«
Die Forscher strömten aus dem Raum, noch ehe er zu Ende sprechen konnte.
Tom kam gegen achtzehn Uhr in ihr Büro. Einen Augenblick konnte Kate kaum glauben, daß es Tom war - er hatte sie nie im Büro im CDC besucht -, und dann fing ihr Herz wild an zu schlagen. »Joshua?« sagte sie. »Was ist mit ihm?«
Ihr Ex-Mann zog eine Braue hoch. »Nichts ist mit ihm. Beruhige dich. Ich komme gerade von dort ... Josh und Julie spielen im Sand vor der Veranda. Beide sind wohlauf.«
Kate verließ das Programm, an dem sie gearbeitet hatte. »Was ist dann?«
»Ich fand, es wäre ein angemessener Abend, dich zum Essen einzuladen«, sagte er.
Kate nahm die Lesebrille ab und rieb sich die Augen. »Danke, Tom. Ich freue mich wirklich über die Einladung. Aber vor mir liegen noch ein paar Stunden Arbeit ...«
»Ich habe im Sebanton's einen Tisch reserviert«, sagte er leise und hielt weiterhin die Tür auf.
Kate schaltete den Computer aus, hängte den weißen Kittel an einen Haken neben der Tür und zog den Blazer an, den sie heute morgen zu der Besprechung getragen hatte. »Ich muß erst nach Hause«, sagte sie. »Geschirr spülen. Joshua füttern.«
»Joshua ist schon gefüttert. Und Julie freut sich darauf, den Kleinen heute abend ins Bett zu bringen. Laß den Cherokee auf dem Parkplatz stehen, ich fahre dich morgen früh zur Arbeit. Und jetzt geh in den Angestelltenwaschraum«, sagte er. »Ich habe für halb sieben reserviert.«
Boulder, Colorado, war eine Stadt mit zu vielen Restaurants, die meisten durchschnittlich, einige sehr gut und eines oder zwei exzellent. Sebanton's gehörte nicht zu den oben erwähnten, weil es sich nicht in Boulder befand. Das französische Restaurant lag an der Main Street von Longmont, einem unscheinbaren Kuhdorf zwölf Meilen weiter am Diagonal Highway. Schon allein das kleine Restaurant zu finden war eine Wissenschaft für sich, da es sich zwischen häßlichen Fassaden versteckte, die einmal Drogerie oder Kaufhaus oder Eisenwarenladen einer Kleinstadt gewesen und inzwischen zu Flohmärkten und Tierpräparatorläden verkommen waren. Aber Sebanton's war, obwohl schwer zu finden und von außen nicht besonders ansprechend, schlicht und einfach das beste französische Restaurant in ganz Colorado - möglicherweise in der gesamten Rocky-Mountains-Region. Kate betrachtete sich selbst nicht als Feinschmeckerin, aber eine Einladung ins Sebanton's hatte sie noch nie abgelehnt.
Zwei Stunden später dämpfte Dunkelheit den Ausblick aus dem Fenster des Restaurants und der kleine Innenraum wurde nur von Kerzenlicht erhellt. Kate kehrte zum Tisch zurück und betrachtete lächelnd Kaffee und Käsekuchen, die gebracht worden waren, während sie telefoniert hatte.
»Mit Julie und Josh alles in Ordnung?« fragte Tom.
»Beide wohlauf«, sagte Kate. »Sie hat Josh um acht hingelegt. Sie sagt, daß er einen aufregenden Tag hinter sich hat, auf der ganzen Veranda herumgekrabbelt ist und sich prächtig zu fühlen scheint.« Sie beugte sich nach vorn und sagte: »Na gut, Tommy. Was war der Anlaß?«
Er lehnte sich zurück und hob die Kaffeetasse mit beiden Händen. »Muß es denn einen Anlaß geben?«
»Nein«, sagte Kate, »aber ich kann sehen, daß es einen gibt. Dein Gesicht wird immer ein bißchen röter als sonst, wenn du etwas ausheckst. Heute abend könntest du leicht eine Schlittenlaterne für den Nikolaus abgeben.«
Tom stellte den Kaffee weg, hustete, faltete die Hände, löste sie wieder, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Nun, da ist tatsächlich etwas. Ich meine ... ich habe mir vorgestellt, daß du da oben ganz alleine auf dem Berg bist ... niemand außer Julie als Gesellschaft, und die zieht im Dezember
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