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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ertönte ein Geräusch; unten war etwas zerbrochen oder umgestürzt, eine Etage tiefer, wo Julies Zimmer und die anderen Gästezimmer lagen.
    »Der Miata«, flüsterte Tom und ging voraus den Flur entlang, in die dunkle Küche und weiter zum Durchgang zur Garage.
    Der Kühlschrank sprang an, und Kate zuckte zusammen und legte die Browning auf ihn an, bis sie das Geräusch erkannte. Joshua regte sich und fing leise an zu weinen. »Pssst«, flüsterte Kate. Sie gingen im spärlichen Licht der Fenster auf beiden Seiten durch den Durchgang in die Garage, Tom zuerst, dann Kate, dann Julie, die sich leicht an Kates Bluse festhielt. Hinter ihnen im Haus erklang noch ein Geräusch.
    Tom stieß die Garagentür mit dem Fuß auf und legte die Schrotflinte an, über der er die Taschenlampe hielt. Beide schwang er hastig in einem Bogen; der Lichtstrahl fiel auf Regale, das geschlossene Garagentor, die offene Seitentür, den Miata, dessen Haube offenstand und dessen Zündkabel deutlich sichtbar herausgerissen worden waren.
    Sie wichen in den Durchgang zurück und duckten sich dort. Tom machte die Taschenlampe aus.
    »He«, flüsterte Julie, deren Zähne hörbar klapperten, »war sowieso nur ein Zweisitzer.« Sie ergriff Kates Hand, mit der sie das Baby hielt. »War nur Spaß.«
    »Still«, sagte Tom. Seine Stimme klang leise, aber ruhig.
    Sie duckten sich vor der Garagentür, unter der Ebene der Fenster des Durchgangs, und sahen die fünf Meter Fliesenboden entlang zur Küchentür. Sie hatten die Tür einen Spalt offen gelassen. Kate lauschte angestrengt, konnte aber nichts hören, da Joshua ihr leise ins Ohr wimmerte. Sie wiegte und tätschelte das Baby und spürte immer noch Julies Hand auf ihrem Arm.
    Eine Bewegung von Schwarz auf Schwarz war zu sehen, Tom schaltete die Taschenlampe ein, und seine Schrotflinte knallte einen Wimpernschlag, bevor Julie schrie und das Baby zu weinen anfing.
    Das weiße Gesicht und die Finger waren in der Sekunde, bevor Toms Schrotschuß einen Teil des Türrahmens zerfetzte, von der Küchentür verschwunden. Kate war sicher, daß sich das Gesicht innerhalb dieser Sekunde außer Schußweite geduckt hatte. Sie war auch sicher, daß es sich um dasselbe Gesicht handelte, das sie vor zwei Monaten im Zimmer des Babys gesehen hatte.
    Tom machte die Taschenlampe aus, aber vorher konnte sie noch seinen betroffenen Gesichtsausdruck erkennen, als er sie ansah. Tom hatte den Mann auch wiedererkannt.
    Ein Kratzen und Schaben ertönte in der Garage.
    Kate versuchte, das Baby und ihren eigenen Herzschlag zu beruhigen, glitt zur Wand und hob den Kopf langsam zum Fenster des Durchgangs. Zwei dunkle Gestalten bewegten sich unvorstellbar schnell draußen in dem kleinen Fleckchen Garten zwischen dem Durchgang und der Felsklippe. Tom hatte sie ebenfalls gesehen.
    »Scheiß drauf«, flüsterte er den beiden Frauen zu. »Wir müssen raus, damit wir auf die Wiese fliehen können ... Richtung Straße.«
    Kate nickte. Alles war besser als dieser enge Flur, wo jeder sie aus beiden Richtungen angreifen konnte. Im trüben Licht der Fenster betrachtete sie die Pistole in ihrer Hand.
    Könnte ich wirklich jemanden erschießen? Ein anderer Teil ihres Verstandes antwortete wie aus der Pistole geschossen: Du hast schon auf jemanden geschossen. Und wenn er dich oder Joshua verfolgt, wirst du wieder auf ihn schießen. Sie blinzelte angesichts dieses klaren Gedankens, der durch den wirbelnden Dunst widersprüchlicher Pflichten, ihres hippokratischen Eides und des Herzklopfens ihrer Angst schnitt wie ein Suchscheinwerfer durch Nebel: Du wirst tun, was du tun mußt. Kate betrachtete die Pistole und stellte mit fast klinischer Nüchternheit fest, daß ihre Hand nicht zitterte.
    »Kommt«, flüsterte Tom. Er zog sie auf die Beine. »Wir gehen raus.«
    In dem Durchgang gab es eine Tür, die zum Fußweg von der Garage zur Eingangstür führte, aber bevor Tom sie aufmachen konnte, geschah alles auf einmal.
    Wieder schnellte eine Gestalt aus der Küchentür. Tom wirbelte herum, senkte die Schrotflinte auf Hüfthöhe und feuerte.
    Das Fenster hinter ihnen zerbarst in Scherben, als zwei Männer in Schwarz sich durch das Glas warfen. Kate hob die Pistole, während sie gleichzeitig versuchte, Joshua vor dem Regen von Glasscherben zu beschützen.
    Jemand kam zur Tür des Durchgangs herein. Tom lud die Schrotflinte durch und drehte sich zu dem Mann um.
    Julie schrie, als dunkle Arme und weiße Hände aus der Garage schnellten, sie am Haar packten

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