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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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die Wettkampfteilnehmer bei ihren Vorübungen. Maris schickte S’Rella zu den anderen Holzflüglern und eilte dann die Klippe hinauf. Sena war erleichtert, sie zu sehen. „Maris“, rief sie. „Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Niemand wußte, wo ihr wart. Sind S’Rella und Val bei dir? Es ist bald soweit. Sher ist schon an der Reihe.“
    „S’Rella ist flugbereit“, sagte Maris, dann erzählte sie Sena, was mit Val passiert war.
    Alle Kraft und Lebhaftigkeit schien aus dem Gesicht der Lehrerin zu weichen, während sie zuhörte. In ihrem gesunden Auge sammelten sich Tränen, und sie legte ihr ganzes Körpergewicht auf ihre Krücke. Plötzlich sah sie sehr alt aus. „Das kann ich kaum glauben“, sagte sie mit schwacher Stimme. „Ich habe nicht – nicht einmal, als die schreckliche Sache mit den Vögeln, nicht einmal da, habe ich damit gerechnet, daß sie so etwas tun könnten.“
    Ihr Gesicht war aschgrau. „Hilf mir, mein Kind, ich muß mich setzen.“
    Maris legte stützend einen Arm um sie und führte sie zum Richtertisch. Shalli blickte besorgt auf. „Ist etwas nicht in Ordnung?“
    „Nein“, sagte Maris und half Sena, sich zu setzen.
    „Val wird heute nicht fliegen“, fuhr sie fort und wandte den anderen Richtern das Gesicht zu.
    „Heute nacht wurde er bei der Kneipe, in der er wohnt, überfallen und zusammengeschlagen. Ein Arm und ein Bein sind gebrochen.“
    Entgeisterung machte sich auf den Gesichtern der Richter breit. „Wie schrecklich“, sagte Shalli. Die Richterin aus dem Osten fluchte, der von den Äußeren Inseln schüttelte den Kopf, und der Landmann von Skulny erhob sich. „Das ist entsetzlich. So etwas erlaube ich nicht auf meiner Insel. Wir werden den Schuldigen finden, das verspreche ich euch.“
    „Es war ein Flieger“, sagte Maris, „oder er hat jemanden dafür angeheuert, aber das tut nichts zur Sache. Sie haben ihm den rechten Arm und das rechte Bein gebrochen. Einflügler. Ihr versteht.“
    Shalli wurde wütend. „Maris, das ist eine fürchterliche Geschichte, aber ein Flieger würde so etwas nicht tun. Und wenn du damit sagen willst, daß Corm etwas …“
    „Kannst du beweisen, daß ein Flieger daran beteiligt war?“ unterbrach die Richterin aus dem Osten.
    „Ich kenne die Kneipe, wo Val wohnt“, sagte der Landmann. „Die Eiserne Axt, nicht wahr? Das ist eine finstere Spelunke, da geht viel Gesindel ein und aus. Es könnte jeder gewesen sein. Ein betrunkener Raufbold, ein eifersüchtiger Liebhaber oder jemand, der beim Spiel verloren hat. Dort hat es schon allerlei Ärger gegeben.“
    Maris blickte ihn an. „Du wirst den Täter niemals finden, auch wenn du es versprichst“, sagte sie. „Aber deswegen bin ich nicht besorgt. Ich will Vals Flügel heute abend mitnehmen.“
    „Vals Flügel?“
    „Ich fürchte“, sagte die Richterin von den Südlichen Inseln, „er muß sich gedulden und es nächstes Jahr noch einmal probieren. Es tut mir leid, daß man ihn verletzt hat, wo er dem Sieg so nahe war.“
    „Nahe?“ Maris blickte über den Tisch und fand die Schachtel, nahm sie in die Hand und schüttelte sie. „Neun schwarze Steine und ein weißer. Das ist wohl mehr als nahe. Val hätte gewonnen, selbst wenn er heute fünf zu null verloren hätte. Er hätte gewonnen.“
    „Nein“, sagte Shalli hartnäckig. „Corm verdient eine Chance. Ich hätte ihn nicht für einen Einflügler darum betrogen, auch wenn er mir sehr leid tut. Corm ist gut bei den Toren. Dabei hätte er zehn zu null gewinnen können, zwei Steine von jedem von uns, dann hätte er seine Flügel behalten.“
    „Zehn zu null“, sagte Maris. „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit?“
    „Es ist möglich“, sagte Shalli.
    „Es ist möglich“, echote die Richterin aus dem Osten. „Wir können Einflügler den Sieg nicht geben. Es wäre Corm gegenüber, der jahrelang gut geflogen ist, nicht fair. Ich denke, wir müssen Val als ausgeschieden erklären.“
    Heftiges Nicken am ganzen Tisch, aber Maris lächelte nur. „Ich habe befürchtet, daß ihr diesen Standpunkt vertreten würdet.“ Sie legte die Hände auf die Hüften und stand herausfordernd da. „Aber Val wird seine Flügel bekommen. Glücklicherweise gibt es einen Präzedenzfall. Ihr selbst habt ihn heute nacht mit S’Rella und Garth geschaffen. Laßt die Wertung bestehen und führt die Wettkämpfe fort. Ladet Corm vor. Ich werde für Val fliegen.“
    Und sie wußte, daß sie ihr das nicht abschlagen konnten.
    Maris legte die Flügel an

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