Kinder der Stürme
verschwunden.
Nach kurzer Zeit kam sie mit drei Flaschen des hiesigen Brandys und einer unbeschrifteten Karaffe, die einen scharfen kräftigen Duft verströmte, zurück. „Starkes Zeug“, sagte Maris. Sie kostete zuerst selbst, dann bat sie S’Rella, Vals Kopf zu halten, während sie ihm einige Tropfen einflößte. Er versuchte sein möglichstes, um ihnen zu helfen, und schluckte jedesmal gierig, wenn sie die Flasche ansetzten.
Als Raggin endlich nach mehr als einer Stunde mit einem Heiler zurückkam, war Val bewußtlos. „Hier ist euer Heiler“, sagte der Barmann. Er warfeinen Blick auf die leeren Flaschen und fügte hinzu: „Die werdet ihr auch bezahlen, Flieger.“
Nachdem der Heiler Vals Arm und Bein gerichtet und geschient hatte – Raggin hatte recht gehabt, es war ebenfalls gebrochen, wenn auch nicht so schlimm –, verarztete er die Schwellungen im Gesicht und gab Maris eine kleine Flasche mit einer dunkelgrünen Flüssigkeit. „Das ist besser als Brandy“, sagte er. „Es wird die Schmerzen betäuben und ihn schlafen lassen.“ Nachdem er gegangen war, blieben Maris und S’Rella bei Val.
„Es waren Flieger, nicht wahr?“ fragte S’Rella unter Tränen, während sie zusammen in dem verqualmten, mit Kerzen erleuchteten Zimmer saßen.
„Ein Arm und ein Bein sind gebrochen, die andere Seite hat nichts abbekommen“, sagte Maris wütend. „Ja, das spricht dafür, daß es Flieger waren. Ich glaube nicht, daß ein Flieger persönlich Hand angelegt hat, aber sicherlich steckt einer dahinter.“ Einer plötzlichen Eingebung folgend stand Maris auf und durchsuchte Vals blutige Kleider. „Hm, genau wie ich es erwartet habe. Sein Messer ist weg. Entweder haben sie es ihm abgenommen, oder er hatte es in der Hand und ließ es fallen.“
„Ich hoffe, daß er sie damit erwischt hat, ganz gleich wer es war“, sagte S’Rella. „Denkst du, daß Corm etwas damit zu tun hat? Weil Val sich morgen seine Flügel holen wollte?“
„Heute“, sagte Maris traurig und blickte zum Fenster. Am östlichen Horizont hellte sich der Himmel auf.
„Aber nein, Corm ist es nicht gewesen. Nicht, daß er Val nicht mit Freude vernichten würde, wenn er könnte, aber er würde es auf legale Weise tun, nicht so. Corm ist zu stolz, um auf Gewalt zurückzugreifen.“
„Wer war es dann?“
Maris schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht, S’Rella. Offensichtlich ein Geisteskranker. Vielleicht einTreund von Corm oder Freunde von Ari. Vielleicht Arak oder einer seiner Freunde. Val hat sich viele Feinde geschaffen.“
„Er wollte, daß ich mit ihm gehe“, sagte S’Rella schuldbewußt, „aber statt dessen habe ich Garth besucht. Wenn ich mit ihm gegangen wäre, so wie er es wollte, wäre das nicht passiert.“
„Wenn du mitgegangen wärst“, sagte Maris, „würdest du jetzt wahrscheinlich ebenso daliegen. S’Rella, erinnere dich an die Regenvögel. Sie wollten uns dadurch etwas mitteilen. Du bist doch auch ein Einflügler.“ Sie betrachtete den Sonnenaufgang. „Wie ich auch. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, es zuzugeben. Ich bin nur ein halber Flieger, und das ist alles, was ich jemals sein werde.“ Sie lächelte S’Rella an. „Aber ich denke, worauf es ankommt, ist, welche Hälfte.“
S’Rella schien verwirrt, aber Maris sagte: „Schluß mit dem Gerede. Du hast noch einige Stunden Zeit, bis die Wettkämpfe beginnen, und ich möchte, daß du versuchst, ein wenig zu schlafen. Heute mußt du die Flügel gewinnen, denk daran.“
„Ich kann nicht“, protestierte S’Rella. „Nicht jetzt.“
„Gerade jetzt“, sagte Maris. „Wer immer Val das angetan hat, er würde sich freuen, wenn auch du die Flügel verlierst. Willst du das?“
„Nein“, sagte S’Rella.
„Dann schlaf jetzt.“
Später, während S’Rella schlief, blickte Maris aus dem Fenster. Die Sonne war halb aufgegangen, an ihrem roten Gesicht zogen dunkle schwere Wolken vorbei. Es würde ein schöner windiger Tag werden. Ein ausgezeichneter Tag zum Fliegen.
Der Wettkampf warbereits in vollem Gange, als Maris und S’Rella ankamen. Sie waren in der Kneipe aufgehalten worden, weil Raggin auf der sofortigen Bezahlung von Vals Rechnung bestanden hatte. Und es hatte sie einige Überredungskunst gekostet, ihm zu versichern, daß er sein Geld bekommen würde. Maris konnte ihm auch das Versprechen abnehmen, sich um Val zu kümmern und niemanden zu ihm zu lassen.
Sena hatte ihren üblichen Platz bei den Richtern eingenommen und beobachtete
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