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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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legte, dann trocknete sie ihre Tränen. „Bari, du mußt jetzt gehen.“
    „Nein! Ich will meinen Vater! Ohne ihn werde ich nicht gehen!“
    „Bari, hör zu. Du mußt gehen, bevor der Landmann dich erwischt. Das wäre auch der Wunsch deines Vaters.“
    „Das ist mir egal“, sagte Bari dickköpfig. „Es ist mir gleich, ob der Landmann mich erwischt! Ich will mit meinem Vater Zusammensein!“
    „Möchtest du nicht fliegen?“ fragte Maris.
    „Fliegen?“ Baris Gesicht hellte sich plötzlich vor Verwunderung auf.
    „S’Rella wird mit dir über den Ozean fliegen“, sagte Maris, „falls du groß genug bist und keine Angst hast.“ Sie sah zu S’Rella auf. „Du kannst sie doch mitnehmen, nicht wahr?“
    S’Rella nickte. „Sie ist leicht genug. Val kennt einige Leute auf Thrynel. Es wird ein leichter Flug werden.“
    „Bist du groß genug?“ fragte Maris. „Oder hast du Angst?“
    „Ich habe keine Angst“, sagte Bari, ihr Stolz war verletzt. „Mein Vater ist früher auch geflogen, wie du weißt.“
    „Das weiß ich“, sagte Maris lächelnd. Sie erinnerte sich an Colls Angst vor dem Fliegen und hoffte, daß Bari diesen Zug nicht geerbt hatte.
    „Und du wirst meinen Vater retten?“ fragte Bari.
    „Ja“, sagte Maris.
    „Und nachdem ich sie nach Thrynel gebracht habe?“ fragte S’Rella. „Was dann?“
    „Dann“, sagte Maris und nahm Bari bei der Hand, „möchte ich, daß du zur Festung fliegst und dem Landmann eine Botschaft bringst. Sag ihm, daß alles mein Werk ist, daß ich Coll und die anderen Sänger dazu angeregt habe. Falls er mich will und das wird er, sage ihm, daß ich mich ihm ausliefere, sobald er Coll und die anderen freigelassen hat.“
    „Maris“, warnte Evan, „er wird dich hängen.“
    „Vielleicht“, sagte Maris. „Das muß ich riskieren.“
    „Er ist einverstanden“, berichtete S’Rella bei ihrer Rückkehr. „Als Zeichen seines Vertrauens hat er alle Sänger bis auf Coll freigelassen. Man hat sie mit dem Boot nach Thrynel gebracht und ihnen auferlegt, nicht nach Thayos zurückzukehren. Ich kann ihre Abreise bezeugen.“
    „Und Coll?“
    „Man hat mir gestattet mit ihm zu sprechen. Er schien unverletzt, doch er machte sich Sorgen um seine Gitarre, man hat sie ihm weggenommen. Der Landmann wird Coll drei Tage gefangenhalten. Wenn du in dieser Zeit nicht auf der Festung bist, wird Coll gehängt.“
    „Dann breche ich sofort auf“, sagte Maris.
    S’Rella ergriff ihre Hand. „Coll läßt dich warnen. Er sagte, du solltest unter keinen Umständen kommen. Es wäre zu gefährlich für dich.“
    Maris zuckte die Achseln. „Für ihn ist es auch gefährlich. Selbstverständlich gehe ich.“
    „Es könnte eine Falle sein“, sagte Evan. „Man kann dem Landmann nicht trauen. Vielleicht will er euch beide hängen.“
    „Dieses Risiko muß ich eingehen. Wenn ich nicht gehe, wird Coll mit Sicherheit hängen. Das kann ich nicht auf mein Gewissen nehmen – ich habe ihn in diese Sache hineingezogen.“
    „Mir gefällt das nicht“, sagte Evan.
    Maris seufzte. „Früher oder später wird mich der Landmann sowieso kriegen, es sei denn, ich flüchte sofort aus Thayos. Wenn ich mich ihm ausliefere kann ich Coll retten. Vielleicht sogar mehr.“
    „Was könntest du sonst noch tun?“ fragte S’Rella. „Er wird dich hängen und deinen Bruder wahrscheinlich auch. Das ist alles.“
    „Wenn er mich hängt“, sagte Maris ruhig, „haben wir den Zwischenfall, den wir brauchen. Mein Tod würde die Flieger vereinen.“
    S’Rella wurde blaß. „Maris, nein“, flüsterte sie.
    „Das habe ich befürchtet“, sagte Evan in außergewöhnlich ruhigem Ton. „Das steckte also hinter all deinen Plänen. Du hast dich für einen Märtyrertod entschieden.“
    Maris blickte finster drein. „Ich hatte Angst, es dir zu sagen, Evan. Ich habe damit gerechnet – ich mußte davon ausgehen, als ich meine Pläne schmiedete. Bist du mir böse?“
    „Böse? Nein. Enttäuscht. Verletzt. Und sehr traurig. Ich habe dir geglaubt, als du sagtest, du wolltest leben. Du schienst glücklicher und stärker. Ich habe geglaubt, du liebst mich und ich könnte dir helfen.“ Er seufzte. „Ich habe nicht erkannt, daß du dem Leben eine edlere Art zu sterben vorgezogen hast. Ich muß deinen Entschluß akzeptieren. Ich ringe täglich um Leben und Tod und habe ihn nie als etwas Edles empfunden, aber vielleicht stehe ich ihm zu nahe. Du wirst bekommen, was du wolltest. Später, wenn du tot bist, werden die

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