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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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jemals wieder auf meiner Insel über Tya singen. Er wird von Thayos verbannt werden.“
    „Und wir?“
    Der Landmann grinste und fuhr mit dem Daumen über die Schneide seines Messers. „Der Heiler ist bedeutungslos. Ein Nichts. Er kann gehen.“ Er beugte sich nach vorn und zeigte mit dem Messer auf Maris. „Nun zu dir, flügellöse Fliegerin. Selbst dir gegenüber werde ich mich als gnädig erweisen. Du sollst deine Freiheit haben.“
    „Zu welchem Preis“, sagte Maris bestimmt.
    „Die schwarzen Flieger sollen meinen Himmel verlassen“, sagte der Landmann.
    „Nein“, sagte Maris.
    „ NEIN ?“ Er schrie und stach das Messer in die Lehne seines Sessels. „Was glaubst du, wo du bist? Ich habe genug von deiner Arroganz. Wie kannst du dich weigern! Wenn ich es will, wirst du im ersten Licht des Morgengrauens gehängt.“
    „Du wirst uns nicht hängen“, sagte Maris.
    Seine Lippen zitterten. „Oh?“ sagte er “Rede weiter. Sag mir, was ich tun und lassen werde. Ich fürchte mich richtig.“ Aus seiner Stimme klang unterdrückte Wut.
    „Vielleicht möchtest du uns hängen“, sagte Maris, „aber das wagst du nicht. Aus Angst vor den schwarzen Fliegern würdest du es nicht tun.“
    „Ich habe bereits einen Flieger gehängt“, sagte der Landmannn. „Und ich kann weitere hängen. Deine schwarzen Flieger beeindrucken mich nicht.“
    „Nein? Warum verläßt du dein Haus seither nicht mehr, nicht einmal um zu jagen oder für einen Spaziergang im Hof?“
    „Flieger dürfen keine Waffen tragen“, sagte der Landmann. „Was können sie mir tun? Laß sie ruhig für immer da oben.“
    „Seit Jahren hat kein Flieger eine Waffe getragen“, stimmte Maris zu, die ihre Worte sorgfältig wählte. „Das ist Fliegergesetz und Tradition. Aber es war auch ein Fliegergesetz, daß man sich aus der Politik der Landgebundenen heraushielt und sich darauf beschränkte, Botschaften zu übermitteln, ohne auch nur darüber nachzudenken. Trotzdem hat Tya es gewagt. Deswegen hast du sie getötet, obwohl eine jahrhundertealte Tradition bestand, daß ein Landmann nicht über einen Flieger urteilen darf.“
    „Sie war eine Verräterin“, sagte der Landmann. „Verräter verdienen kein anderes Schicksal, ob sie Flügel tragen oder nicht.“
    Maris zuckte die Achseln. „Das ist der Punkt“, sagte sie, „in solchen Zeiten bedeuten Traditionen keinen Schutz. Du glaubst, dich in Sicherheit, weil die Flieger keine Waffen tragen?“ Sie blickte ihn kühl an. „Nun, jeder Flieger, der dir eine Nachricht überbringt, wird Schwarz tragen, und einige von ihnen werden ebenfalls Haß in ihren Herzen tragen. Du wirst ständig Angst haben. Wird es der nächste sein? Kommt eine neue Tya, eine neue Maris, ein neuer Val Einflügler? Wird die ehrbare Tradition hier und jetzt blutig enden?“
    „Das wird niemals geschehen“, sagte der Landmann schrill.
    „Es ist undenkbar“, sagte Maris. „So unvorstellbar wie das, was du mit Tya getan hast. Häng mich, und es wird früher geschehen, als du glaubst.“
    „Ich hänge wen ich will. Meine Wachen schützen mich.“
    „Können sie einen Pfeil aufhalten? Willst du all deine Fenster vergittern, um dich vor Fliegern zu schützen?“
    „Du drohst mir!“ sagte der Landmann voller Wut.
    „Ich warne dich“, sagte Maris. „Vielleicht geschieht dir nichts, aber du kannst nie sicher sein. Die schwarzen Flieger werden dafür sorgen. Für den Rest deines Lebens werden sie dich verfolgen, dich jagen wie Tyas Geist. Wann immer du zum Himmel hinaufblickst, wirst du die Flügel sehen. Wann immer dich ein Schatten berührt, wirst du zusammenzucken. Du wirst niemals aus dem Fenster sehen oder einen Spaziergang machen können. Die Flieger werden über der Festung kreisen, wie Fliegen über einem Stück Aas. Du wirst sie noch auf deinem Sterbebett sehen. Dein Haus wird ein Gefängnis sein, und trotzdem wirst du nie in Sicherheit sein. Flieger können jede Wand überwinden, und wenn sie die Flügel abgenommen haben, sehen sie aus wie jeder andere.“
    Der Landmann hörte Maris bewegungslos zu. Sie beobachtete ihn vorsichtig und hoffte, ihn in die richtige Richtung zu lenken. Seine Augen mit den Tränensäcken zeugten von einer gewissen Wildheit, Unberechenbarkeit, die sie ängstigte. Ihre Stimme war ruhig, aber auf ihren Augenbrauen sammelte sich Schweiß, und ihre Hände waren kalt und feucht.
    Der Blick des Landmannes ging hin und her, als versuche er vor den Phantomen der schwarzen Flieger zu fliehen,

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