Kinder der Stürme
verschiedene Krustentiere, Süßigkeiten und Pasteten gab. „Die Seekatze ist zwar das Hauptgericht, aber darauf müssen wir wohl noch einige Stunden warten.“
Val begutachtete die Seekatze und den Tisch voller Köstlichkeiten. „Ich sehe, die Flieger essen wieder einmal äußerst einfach“, sagte er. Aber er ließ sich zum anderen Ende des Raumes führen, wo er zwei gewürzte Eier und ein Stück Käse aß, bevor er innehielt, um aus einem Weinkelch zu trinken.
Um sie herum ging die Party weiter, Val fiel nicht besonders auf. Aber Maris wußte nicht, ob die anderen ihn einfach akzeptierten oder ihn gar nicht erkannten.
Die drei standen einen Moment ruhig da. S’Rella sprach leise mit Val, der an seinem Wein nippte und etwas Käse knabberte. Maris stürzte ihr Ale hinunter und beobachtete jedesmal erwartungsvoll die Eingangstür, wenn diese geöffnet wurde. Draußen war es dunkel geworden, die Hütte füllte sich zunehmend. Mit einemmal traten ein Dutzend Flieger von Shotan ein, die sie flüchtig kannte. Sie trugen immer noch ihre roten Uniformen. Ihnen folgten ein halbes Dutzend Flieger von den Östlichen Inseln, die sie noch nie gesehen hatte. Einer von ihnen kletterte auf Riesas Fässer, ließ sich eine Gitarre reichen und begann mit passabler Stimme, Fliegerballaden zu singen. Die Partygäste scharten sich um ihn und riefen ihm Wünsche zu.
Maris, die noch immer Blicke zur Tür warf, wenn sie sich öffnete, rückte etwas näher an Val und S’Rella heran und versuchte ihrem Gespräch trotz der Musik zu folgen.
Dann endete die Musik.
Mitten im Lied verstummten Sänger und Gitarre plötzlich. Gespräche wurden eingestellt, alle Augen wandten sich neugierig dem Mann auf dem Faß zu, Stille breitete sich im Raum aus. In weniger als einer Minute waren alle Blicke auf ihn gerichtet.
Er sah quer durch den ganzen Raum auf Val.
Val wandte sich ihm zu und hob sein Glas zu einem Toast. „Sei gegrüßt, Loren“, rief er auf seine provozierend glatte Art. „Ich trinke auf deinen exzellenten Gesang.“ Er leerte das Glas und stellte es beiseite.
Jemand kicherte. Offensichtlich hielt er Vals Worte für eine versteckte Beleidigung. Andere nahmen den Toast ernst und hoben ebenfalls ihre Gläser. Der Sänger saß einfach da und starrte geradeaus. Sein Gesicht verfinsterte sich. Die Flieger beobachteten ihn verwirrt und warteten auf seine Erwiderung.
„Sing die Ballade von Aron und Jeni“, rief jemand.
Der Gitarrenspieler schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er, „ich kenne ein passenderes Lied.“ Er spielte einige Akkorde und sang dann ein Lied, das Maris nicht vertraut war.
Val wandte sich ihr zu. „Erkennst du es nicht?“ fragte er. „Es ist im Osten sehr populär. Sie nennen es die Ballade von Ari und Einflügler.“ Er goß sich wieder etwas Wein ein und hob sein Glas zum Zeichen verspottender Hochachtung für den Sänger.
Maris’ Stimmung sank. Sie wurde sich bewußt, daß sie das Lied vor Jahren schon einmal gehört hatte. Aber das Schlimme daran war, damals hatte es ihr gefallen. Es erzählte eine lebhafte und dramatische Geschichte von Verrat und Rache. Einflügler war der Schurke, und die Flieger waren die Helden.
S’Rella biß sich vor Wut auf die Unterlippe und konnte ihre Tränen kaum unterdrücken. Impulsiv trat sie nach vorne, aber Val hielt sie fest und schüttelte den Kopf. Maris konnte nur hilflos dastehen und den grausamen Worten zuhören, die sich so sehr von denen des Liedes unterschieden, das Coli für sie geschrieben hatte. Sie wünschte sich, er wäre da, um ein Lied als Erwiderung darzubieten. Sänger verfügten über eine eigentümliche Macht, selbst solche Amateure wie der Mann aus dem Osten.
Als er geendet hatte, wußten alle Bescheid.
Er warf die Gitarre einem Freund zu und sprang von dem Faß. „Ich werde am Strand singen, falls es jemanden interessiert“, rief er laut. Dann nahm er sein Instrument und ging hinaus, gefolgt von allen Fliegern der Östlichen Inseln, die mit ihm gekommen waren, und von vielen anderen. Plötzlich war die Hütte wieder halb leer.
„Loren war mein Nachbar“, erklärte Val. „Er wohnte auf Nord Arren, gerade auf der anderen Seite der Bucht. Ich habe ihn seit Jahren nicht gesehen.“
Die Flieger von Shotan standen in einer Gruppe beisammen und unterhielten sich leise. Ein- oder zweimal warfen sie Val, Maris und S’Rella bedeutungsvolle Blicke zu. Dann verließen sie alle gemeinsam die Hütte.
„Du hast mich noch nicht deinen
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