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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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vielversprechenden Zutaten köstliche Gerichte zu zau-
bern. Gott sei Dank, wie Bernie es ausdrückte, gab es noch Menschen, die sich daran erinnerten, was man mit
Sachen machen konnte, weil sie die Tradition bäuerli- cher Armut ererbt hatten und nicht darauf bestanden, sich aus Konservendosen und Tiefkühlpackungen zu er- nähren.
    Die Preise derartiger Produkte schnellten in schmerz- liche Höhen, denn das Öl aus der Nordsee versiegte
schneller, als laut Plan angenommen worden war.
    »Sprichst du von Jake?« Claudia seufzte und griff nach ihrem Glas. Es enthielt Bier, selbstgemachtes. Al- les Teurere überstieg jetzt Peters Mittel. Letzte Woche
    hatte er TV-Plus einen saftigen Skandal angeboten, in
dem es um Würste ging, die aus AIDS-infiziertem Schweinefleisch hergestellt und von einem prominenten Anhänger der Regierung an öffentliche Krankenhäuser
geliefert worden waren, doch die Geschichte fiel unter das Staatsgeheimnis-Gesetz. Infolgedessen hatte man ihm auch kein Honorar gezahlt.
    Manchmal hatte er schon erwogen, das rot-weiß- blaue Band, das er immer noch trug, abzulegen, doch inzwischen war es zu gefährlich geworden, ohne ein
solches herumzulaufen — zumindest, wenn man Wei- ßer war. Während er Ellen beobachtete, die das Geschirr abräumte und dabei vor sich hinsummte, fragte er sich, wie lange sie ihres wohl noch in der Schule würde tra- gen können, bevor es ihr mit der Begründung, sie sei nicht britisch, abgerissen würde.
    Berichtigung: englisch. Hier in London waren Gangs von Schülern, die sich selbst zu >Cockneys< stilisiert hat- ten, dazu übergegangen, Schotten, Waliser und Iren an-
zugreifen, ebenso wie die — wie hatte sie der Fanatiker, der den Erzbischof erschossen hatte, genannt? — Reis- fresser und Nigger, die weit unter einem weißen Chri- sten standen ...
    Er erwachte aus seinen Gedanken, als er merkte, daß
jemand gesprochen hatte. Bernie? Ja.
    »Jedenfalls scheint Jake entschlossen zu sein, mit flie- genden Fahnen unterzugehen. Habt ihr von dem Ben-
zinbombenanschlag gehört?«
    »Was?«
    »Heute nachmittag. Der Comet hat seine Fenster eben- erdig zur Straße hin, nicht? Irgendwelche Schlägerty- pen warfen aus einem gestohlenen Auto eine Brand- bombe hinein. Zum Glück entstand kein nennenswerter Schaden. Aber es ist dennoch eine — wie könnte man sagen — alles andere als gesunde Entwicklung.«
    Mit einem zufriedenen Lächeln wegen des Erfolgs ih- res Essens kam Ellen aus der Küche zurück und setzte
    sich auf das Sofa neben Peter. Sie gehörte jetzt fest zu der inzwischen sehr vertraut miteinander umgehenden Gruppe, und es war überhaupt kein Thema mehr, daß sie sich vielleicht in ihr Zimmer hätte zurückziehen sol- len.
    »Manchmal bin ich in Versuchung, auszuwandern«, fuhr Bernie fort. »Aber an welchen Ort auf der Welt
könnte ich gehen? Der Fremdenhaß in den USA erlebt einen neuen Höhepunkt, und das Land steht sowieso kurz vor dem Zusammenbruch, genau wie Großbritan- nien — Canada befindet sich kurz vor den Wehen eines
neuen Anfalls von Frankophilie — Australien versucht, sich zu einem antijapanischen Bollwerk zu entwickeln — und im Innern ist eine Generation für einen Rassis- mus verantwortlich, der dem in Südafrika in nichts nachsteht... Und was das übrige Europa betrifft, dort ist man auf einem so ausgeprägten Antiamerika-Trip,
daß man mit Leuten, die nur englisch sprechen, nichts zu tun haben will. Selbst die Niederländer und Dänen führen Deutsch wieder als maßgebliche Fremdsprache ein.«
    »Nur weiter«, sagte Claudia mit saurer Miene. »Du hast noch gar nicht von der arabischen Welt gespro-
chen ...«
    »Und Asien!« fiel Ellen ein. »Wer möchte schon in Indien leben, wo praktisch ein Bürgerkrieg im Gange ist?«
    Peter zuckte zusammen. Das war das erstemal, so- weit er sich erinnerte, daß sie von sich aus das Ur- sprungsland ihrer Mutter erwähnt hatte. Doch die ein- zige Regung, die in ihrem hübschen Gesicht zu erken-
nen war, war schlichte Traurigkeit, als ob sie in einem viel zu frühen Alter gegenüber der Launenhaftigkeit der
Menschlichkeit resigniert hätte.
    Was für ein Erbe für einen Teenager!
    Danach schien eine ganze Weile lang keiner mehr etwas zu sagen zu haben. Erst als Ellen ihre Rolle als Gastge-
berin wieder aufgenommen und ihre Gläser nachgefüllt hatte, kehrten sie zu dem Thema zurück, über das sie eigentlich sprechen wollten. Typischerweise, und in ih- rem typischen schneidenden Ton, war es Claudia, die die

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