Kinder des Donners
nach dem Knopf einer Gegensprechanlage und gab die nötigen Anwei- sungen.
»Holen Sie sich beim Hinausgehen das Geld ab. Es liegt für Sie bereit. Und leisten Sie gute Arbeit, ja? Bit- te!«
Die öffentlichen Fernsprecher, an denen Peter auf sei-
nem Weg zu der einzigen Buslinie, die seines Wissens
noch in die Richtung seiner ehemaligen Wohnung fuhr, vorbeikam, waren von Vandalen zerstört worden; ihrem Zustand nach zu urteilen, war das bei einigen von ihnen
bereits vor mehreren Wochen oder Monaten geschehen. Als er einen Bus kommen sah — etwas viel zu Wertvol- les, als daß er ihn hätte verpassen dürfen —, verwarf er die Absicht, Claudia anzurufen und sein Erscheinen
anzukündigen; er hoffte nur, daß sie zu Hause sein würde.
Sie war es. Doch der Anblick der Wohnung legte die Vermutung nahe, daß das nicht mehr lange so wäre. Sie
hatte sie nur mit wenigen persönlichen Dingen ausge- stattet, vor allem mit Büchern, Postern und einigen Bil- dern. Jetzt nahm sie sie gerade ab und verpackte sie in
Pappkartons.
»Was geht denn hier vor?« fragte Peter verdutzt.
»Ich muß nach Hause zurückkehren«, antwortete sie mit einem Achselzucken, während sie die Tür hinter ihm schloß und dreimal verriegelte.
»Wann?«
»Noch vor Weihnachten. Komm, setz dich! Möchtest du etwas zu trinken?«
»Nicht schon so früh am Tag!« wehrte er entschieden ab und dachte an den Zustand von Jakes Leber. »Aber warum?«
»Ach, die Fundas haben gewonnen. Ich besitze kei- nen Titel mehr, ich kann nicht länger mit Bezügen rech- nen, und Cecil Strugman ist von ausgefuchsten Finanz- geschäftemachern, die sich selbst >Nadelöhr< nennen, an den Rand des Ruins getrieben worden. Es gibt Hinwei-
se, daß ihr Einfluß bis in die Bundes-Reserve-Kammer reicht. Sie halten nichts von Cecils politischen Ansich-
ten, also haben sie beschlossen, den Wert seiner Invest- ments gewaltsam nach unten zu drücken. Es geht das Gerücht, daß sie den Börsenmakler, der für ihn tätig ist,
bestochen haben. Cecil selbst schwebt so ziemlich über den Dingen, weißt du.«
»Das ist ja entsetzlich«, sagte Peter und ließ sich tief in einen Sessel sinken. »Kann dein Freund nichts unter-
nehmen, der Rechtsanwalt — Walter?«
»Walter ist tot.«
»Was?«
»Gestern.« Claudias Hand fuhr mit einer erschöpften
Bewegung durch die Luft. »Bei einem Autounfall. Vor-
zeitiger Schneefall — leichtes Tauwetter — strenger Frost am nächsten Tag ... Ich schätze, man muß es glau- ben. Besonders da er angefangen hatte zu trinken. Trotzdem, es ist komisch ...«
»Weiter!«
»Ich habe niemals erlebt, daß er noch gefahren ist, wenn er etwas getrunken hatte. Er ließ seinen Wagen in
solchen Fällen stets auf der Straße stehen und riskierte lieber, daß er gestohlen wurde, als daß er selbst gefah- ren wäre. Tatsächlich sind ihm eben aus diesem Grund zwei Autos gestohlen worden. Eins davon tauchte in Mexiko wieder auf.«
»Du hast also deine Forschung aufgegeben«, sagte Peter nach einer Weile.
»Ich sehe keinen Sinn darin weiterzumachen.« Sie blickte voller Verzweiflung zu einem Stapel von Aus- drucken auf einem Tisch in ihrer Nähe: er erkannte sie
als den Entwurf ihrer Arbeit.
»Und was willst du jetzt machen? Könntest du nicht — na ja, wenn du die Miete für die Wohnung nicht mehr aufbringen kannst, könntest du nicht wieder bei deiner Freundin unterkommen, wo du vorher gewohnt hast?«
»Nein. Sie ist im Krankenhaus. Hepatitis. Kann töd- lich sein.«
Peter ballte die Hände zu Fäusten. »Es kann wohl nicht wahr sein, aber langsam bekomme ich das Gefühl, daß alle um uns sterben!«
»Die Lebenserwartung ist während der vergangenen drei Jahre in Westeuropa und Nordafrika jedes Jahr wei- ter gesunken. Du kannst jeden Versicherungsstatistiker fragen. Das betrifft natürlich nicht die sehr Reichen — sondern vor allem die Menschen am Rand der Armut oder die, die ihren Lebensunterhalt mit körperlicher Ar-
beit verdienen, wie Landarbeiter, Straßenreiniger, diese Leute. Und die lassen sich selten versichern, also... Wußtest du das nicht?«
Peter schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Zunge
über die trockenen Lippen. »Wenn doch nur Conti- nuum . ..«
»Dann würdest du eine Sendung darüber machen«, unterbrach ihn Claudia. »Das können wir streichen, meinst du nicht? Was führt dich her, und wird es lange dauern?«
Er besann sich mit großer Anstrengung seiner Pflicht und berichtete in groben Umrissen, was Jake und Sally
Weitere Kostenlose Bücher