Kinder des Donners
Protestnote zu über- reichen.
Natürlich würde es ihnen nicht gestattet werden, dorthin zu gelangen. Niemand, der nicht im Besitz eines Regierungsausweises war, hatte seit achtzehn Monaten
den Bezirk um Parliament Square und Downing Street
betreten.
Als er an dem Gebäude ankam, in dem die Redaktion des Comet untergebracht war, mußte er vom Erdgeschoß zu Fuß hinaufgehen. Wieder einmal hatte ein Stromaus-
fall die Aufzüge außer Betrieb gesetzt. Ein batteriebe-
triebenes Radio, das er hörte, als er erschöpft und außer Atem an einer gefährlich offenstehenden Tür im Stock- werk darunter vorbeikam, informierte London mit ver-
gnügter Stimme, daß die verantwortlichen Saboteure der Polizei bekannt seien und daß in Kürze »jemand Scotland Yard bei den Ermittlungen unterstützen« wür- de.
Warum habe ich nur das Gefühl, daß ich das schon mal ge-
hört habe?
Die Arbeit in den Redaktionsräumen ging zum großen Teil normal vonstatten — schließlich mußte die morgige Ausgabe vorbereitet werden —, doch es lag eine Span- nung in der Luft, die Peter gleich beim Eintreten spürte. Er bemerkte mit Überraschung, daß Bernie an seinem Platz in der üblichen Ecke saß; während ihrer inzwi- schen schon ganz schön langen Bekanntschaft hatte ihn
die Erfahrung gelehrt, daß der Hacker es vorzog, erst so gegen Mittag aufzustehen. War auch er, wie Jake, die ganze Nacht über hier gewesen?
Die Augen des Chefredakteurs waren gerötet, er war
unrasiert, seine Jacke hing über der Rückenlehne seines Stuhls, die Manschetten seines Hemdes hatten Schmutzränder, und der Krawattenknoten hing ihm fast am Bauchnabel; er unterbrach eine heftige Unterhal- tung mit einer Frau, die Peter nicht kannte, und stieß ei- nen Schrei aus, in dem sich Wut und Erleichterung mischten.
»Endlich sind Sie da! Ersparen Sie sich eine Erklärung — ich habe alle Entschuldigungen bereits gehört, und das Schlimme ist, daß sie fast alle wahr sind. Kommen
Sie her! Übrigens, das ist Sally Gough, unsere für Ver- brechen zuständige Berichterstatterin.«
Eine Frau mit länglichem Gesicht und dicken Brillen- gläsern entbot ihm einen festen Händedruck.
»Setzen Sie sich, setzen Sie sich!« forderte ihn Jake
unter Gähnen auf. Auf seinem Schreibtisch schmolzen
Eiswürfel in einem Glas, und er nahm geistesabwesend
einen Schluck. Dann beugte er sich mit eindringlicher Miene vor.
»Peter, Sie müssen das hier unbedingt für sich behal-
ten, denn ich habe endlich den Riesenknüller, von dem ich immer geträumt habe. Doch ich wage noch keine Veröffentlichung, bevor die Sache nicht absolut wasser- dicht ist. Ich habe alle meine Spitzenleute damit be- schäftigt, aber Bernie meint, ich brauche Sie auch dazu. Und Claudia.«
Peter erstarrte. »Sagen Sie nicht, Sie haben Louis Par-
ker gefunden!«
»Wen? — Ach, den! Nein, nein, nein! Doch das, was jetzt geschehen ist, könnte der falschen Spur, die Sie mit einem so großen Aufwand an Redaktionsgeld ver- folgt haben, die richtige Wende geben ... General Thro-
wer ist offensichtlich gekidnappt worden. Betonung auf Kid!«
»Das kann ich nicht glauben! Wie, Wann?«
Während er in eine seiner Schreibtischschubladen griff, um die Flasche zu suchen, aus der er trank, bedeu- tete Jake Sally Gough mit einem Kopfnicken, das Wort zu übernehmen. Mit wenigen straffen Sätzen erklärte sie, was sich ihrer Vermutung nach ereignet hatte.
»Er sprach gestern abend bei einer Öffentlichen Ver- sammlung in Sandhurst — Sandhurst in Surrey, in der Nähe der bekannten Kadettenschule. Die ganze Gegend dort ist von Militärs geprägt, streng regierungstreu mit
einer gehörigen Prise Throwerismus. Unter den Zuhö- rern befand sich eine Gruppe von Jugendlichen, einiges über zehn Jahre alt. Nach der Versammlung kamen sie zu ihm und baten um Autogramme. Durch irgend etwas war die Aufmerksamkeit der Organisatoren abgelenkt, und als sie sich wieder dem General zuwenden wollten, war er nirgends mehr zu finden. Die Polizei vertritt die Auffassung, daß er von einer linksgerichteten Gruppe entführt worden ist, die sich der Kinder als Deckung be-
diente.«
Peter pfiff lautlos. »Das ist ja unglaublich!« murmelte er.
»Genauso habe ich reagiert«, nahm Jake das Wort wieder auf, nachdem er einen großen Schluck seines neueingegossenen Drinks genommen hatte. Er ließ er- ste Anzeichen einer besonders sorgfältigen Aussprache
und bedachter Bewegungen erkennen, wie sie typisch waren für jemanden, der wußte, daß ihn
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