Kinder des Donners
Entwicklungsländern, ge- schürt durch die Geheimdienste der Großmächte, der Konzerne und Weltzerstörer:
Dieses beängstigend wahrscheinliche Horrorgemälde
schließt nahtlos und logisch an die beängstigend-wahr- scheinliche >Morgenwelt< an, auch stilistisch: >Schafe blicken auf< (dt. 1978, orig. >The Sheep Look up< 1972) ist eine einzige Anklage gegen die, die die Welt in den Ab- grund geführt haben, in rasanter Schnittechnik, in kur- zen, hektischen Schlaglichtern wird ein multiperspekti- visches Gesamtbild umrissen, das keinerlei Hoffnung mehr läßt — außer der Hauptverantwortliche, das größ-
Die Politiker sind nur noch Marionetten des Internationalen Großgaunertums
te Verschwenderland, geht in Flammen auf und gibt dem Rest der Welt durch sein Verschwinden noch eine letzte Chance.
Die traditionelle Romanhandlung findet in den Köp-
fen der Leser statt — jeder wird in diese Welt gesogen,
ist Teil von ihr und letztlich voll verantwortlicher Teil.
Die Politiker sind nur noch vordergründig mächtig, bloße Herzeig-Marionetten. In Wahrheit — im Buch wie in der Wirklichkeit — werden sie von den Lobbies
mächtiger Multis am Gängelband geführt, liefern die
vorgefertigten Ausreden für ihr Versagen, werden von den skrupellosen Schuldigen dem wehrlosen Volk ge- genüber als Sedativ eingesetzt.
Gegen diese Zustände steht die Bewegung der >Trai- nisten< — letztlich auf verlorenem Posten, vor allem, weil sie in den Augen der auf gefilterte Nachrichten an- gewiesenen >Masse< oft übers Ziel hinausschießt... aber ist dies angesichts der Zustände überhaupt möglich?
Der Gründer der Bewegung, zum Tode verurteilt in dem Augenblick, in dem die Mächtigen seiner habhaft werden, distanziert sich zwar von seinen gewalttätigen Jüngern, »für die Aktionen der Trainisten bin ich nicht verantwortlicher als Jesus für die Taten der Christen, denen Paulus von Tarsus seine persönlichen Neurosen
aufdrängte«, ganz und absolut abzulehnen ist aber auch ihm »Gewalt als chirurgischer Eingriff« gegen eine total auf profitgeilen Wachstumsfetischismus ausgerichtete, dreiste, zynische Gesellschaft nicht: »jene Leute, die die Gewalt heraufbeschwören, besitzen zu ihrer Verurtei- lung nicht mehr Recht als ein langjähriger Raucher da- zu, sich über Bronchitis und Krebs zu beschweren.«
Trotz der düsteren Zeichnung seiner Gegenwart, der Zukunft der Welt, vermittelt Brunner einen Hauch von
Optimismus, nährt er die »Überzeugung: Es kann etwas getan werden!«, läßt er vor allem Ausreden nicht gelten:
Es ist schon fast zu spät für die Welt und die Men- schen, es ist so spät jedenfalls, Mißbrauch und Verbre- chen sind so offenkundig, daß niemand mehr sagen kann, er hätte nichts gewußt, hätte nichts geahnt.
Und wenn, stellt sich durch Austin Train die Frage: »Aber glauben Sie nicht, daß Sie es hätten wissen sol- len?«
Und da gibt es ja nur noch durch verquere Heilsleh-
ren diktierte Ausflüchte, also Unsinn.
Brunner läßt Train die Frage >nachsichtig< stellen, die Welt wird keine Nachsicht kennen, wenn weiter so mit ihr verfahren wird, unsere Nachwelt wird uns dafür richten, unsere Kinder werden uns fragen, was wir mit
ihrer Welt gemacht haben, was wir mit ihr geschehen ließen.
Die Fragen sind heute schon zu stellen, warum etwa Menschen »einer Regierung die Macht zugestanden las- sen, die sie belogen und betrogen und die eigenen Bür- ger umgebracht hatte«.
Wo aber ist das nicht schon passiert, wo passiert das nicht ständig, hier, heute, jetzt? Wo und wann wurde, wird dieser Teufelskreis je unterbrochen?
Brunner ist notwendig und wohltuend provozierend,
ungeheuer wohltuend wahr, ist ein schonungsloser An- kläger — nicht zuletzt, weil er die Geschichte dieses Pla- neten kennt und aus dem, was Menschen bisher an
Menschen verbrachen, für die Zukunft die richtigen, weil logischen, Schlüsse zieht.
Sie machten soviele Arbeitslose wie möglich und da- mit genug Freiwillige für die Armee — Kriege im Innern gab es immer, dazu drohende Kriege nach außen ... die eigene Armee gegen Streikende im eigenen Land, die
Greuel getragen, eskalierend weitergespült von der üb- lichen wertkonservativen Gewaltwelle: Glaubensstreiter
mit meterhohen Plastikkreuzen auf Beutezug, Almosen-
fang — und wie gut und praktisch und sinnreich, daß so ein Kreuz so wunderbar auch als Keule eingesetzt wer-
den kann, wenn einer nicht rasch und hoch genug spen- det (in der Menschheitsgeschichte oft
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