Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
Vom Netzwerk:
Sitarspieler, ein Vinaspieler und ein Schlagzeuger. Sie hatten Verstärker. In diesem Moment stimmten sie die Filmmusik des neuesten Kinohits aus Bombay an, und mit vereinter Lautstärke übertön- ten sie den Rest dessen, was Claudia hatte sagen wol- len.
    Während Peter die Taschen nach seinen Kreditkar- ten durchwühlte, machte er so laut, wie er die Stimme erheben konnte, den Vorschlag, das Gespräch in ei- nem Pub in der Nähe fortzusetzen. Einige Sekunden lang hatte er den Eindruck, sie wäre geneigt, zuzustim- men.
    Doch dann sah sie auf die Uhr und schüttelte den Kopf.
    »Es tut mir leid«, murmelte sie. »Ich muß gehen. Mei- ne Gastgeber werden jetzt dann nach Hause kommen.
Jedenfalls vielen Dank für das Essen.«
    »Warten Sie! Sie können doch nicht einfach ...«
    »Sie im Stich lassen?« Eine Wiederholung ihres flüch- tigen Lächelns. »Noch mal: es tut mir leid. Ich hätte nicht soviel reden sollen. Ich bin gerade erst in Europa angekommen, wenn Sie sich erinnern. Lassen Sie mir etwas Zeit, mich davon zu überzeugen, daß ich meinem Urteilsvermögen trauen kann.«
    Ist das vielleicht wieder so eine Geschichte, bei der mir die Hauptstory durch die Lappen geht, weil ich den Gentleman mime?
    Mit einer blitzartigen Eingebung erkannte Peter, daß das der Hauptgrund war, warum er immer noch in sei-
    ner erbärmlichen Mansardenwohnung hauste. Jemand mit einem Killerinstinkt...
    Aber den besaß er nun mal nicht. Eine solche Einstel- lung war ihm zuwider. Er handelte automatisch, steckte
seinen Taschenmerker ein und schob ihr seine Visiten- karte mit den Worten hin: »Wenn Sie sich so weit ausge- ruht haben, daß Sie mit jemandem über die Angelegen-
heit sprechen wollen, oder wenn Sie irgendwelche In- formationen brauchen, die ich Ihnen vielleicht beschaf- fen kann ...«
    »Ja. Ja. Ich werde es nicht vergessen. Vielen Dank
noch mal. Ich finde allein den Weg nach Hause. Ich wohne nicht zum erstenmal in The Wansdyke. Gute Nacht.«
    Sie wandte sich um und vergaß im Eifer die Bestäti- gung, die er für sie unterschrieben hatte; doch dann drehte sie sich noch mal um und nahm sie vom Tisch, eine Sekunde, bevor er sie daran erinnern konnte, wo- durch sie ihm die Gelegenheit zunichte machte, den günstigen Eindruck, den zu hinterlassen er sich bemüh- te, noch zu verstärken.
    Der Kellner griff nach der Kreditkarte und ließ sie durch das Lesegerät an der Kasse laufen, als ob er Angst hätte, Peter könnte das Lokal verlassen, ohne bezahlt zu haben. Bis ins tiefste Innere aufgewühlt, beschloß Peter,
diesen Fall um jeden Preis zu verfolgen, auch wenn er Claudia damit so sehr reizte, daß sie die Beherrschung
verlieren würde. Er hatte das Gefühl, bis kurz vor den Orgasmus erregt und dann fallengelassen worden zu sein.
    In einer Seitengasse neben dem Restaurant, wo die
Mülleimer standen, war ein erschreckter Küchenjunge von einem halben Dutzend Lumpenbrüdern in die Enge gedrängt worden, weil er etwas hatte wegwerfen wol- len, das sie als wertvolle Speise erachteten. In dem Mo- ment, als Peter vorbeikam, warf er ihnen seine Last vor
    die Füße und machte sich aus dem Staub. Sie stürzten sich auf den Abfall, als ob es Manna wäre, und be- schimpften und schlugen einander.
    Peter beachtete sie nicht und schleppte sich mit schweren Schritten in Richtung seiner Wohnung, wäh- rend vom Wind aufgewirbelter Dreck um seine Beine flog.
    London geht auf das einundzwanzigste Jahrhundert zu ...
    Lärm, dunkle, nasse Nacht, viele der Straßenlaternen zerstört, zerlumpte Gestalten, die von einem überquel- lenden Mülleimer zum nächsten schlurften auf der Su- che nach etwas zum Essen oder Anziehen oder Verkau- fen; die Glücklicheren, die ein Zuhause haben, wohin sie gehen können, ängstlich um sich blickend, als ob sie befürchteten, aus den Gebäuden könnten bewegliche Pfähle wie Beine sprießen und sie niedertrampeln; Fah- rer in seltenen Autos und Passagiere in Bussen, be- strebt, überall zu sein, nur nicht hier... Mit anderen Worten:
    Die Stadt sirrend klirrend flirrend die Stadt sirrend klir- rend flirrend im MINUS
    Diese Worte, die aus den Kopfhörern drangen und zwischen ihren Ohren widerhallten (der Schrei auf dem Höhepunkt wurde in dem Maße schwächer, in dem die Batterie schwächer wurde — morgen neue kaufen, falls es noch welche gibt), bildeten einen fließenden Kommentar zu dem, was Crystal Knight in diesem allzu normalen
Augenblick sehen konnte: schwarzer Himmel, windge- peitschter Regen,

Weitere Kostenlose Bücher