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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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vorbeigefahren, ohne anzu- halten, doch eine Zweimann-Streife kontrollierte zu Fuß diese Seite der Straße — natürlich bewaffnet, wie heut- zutage allgemein üblich in den finsteren Vierteln. Man konnte nur an ihrer unterschiedlichen Größe ahnen, welches der Mann und welches die Frau bei einem sol-
chen Paar war, denn sie waren vollkommen gleich ge- kleidet, von den schweren schwarzen Stiefeln bis zu den runden schwarzen Helmen mit Visieren. In diesen Hel- men waren Sender angebracht, die alles, was sie sagten
und hörten, an die unermüdlichen Computer von Scot- land Yard übermittelten; diese waren rund um die Uhr
wachsam, ob vielleicht eins der gespeicherten Schlüs-
selworte fiele, was auf mehr Scherereien hindeutete, als zwei Polizisten zu Fuß zu bewältigen in der Lage wären.
    Eine Patrouille dieser Art warf im allgemeinen be- trächtliche Probleme auf, doch niemals so schwerwie- gende, daß Crystal nicht damit fertiggeworden wäre. Sie hatte herausgefunden, daß sie mit allem fertigwer- den konnte — an den meisten Tagen des Monats. Unter Umständen bedeutete das jedoch eine Vergeudung wertvoller Arbeitszeit...
    Wie sich herausstellte, war das Glück heute abend auf
ihrer Seite.
    Genau in diesem vorteilhaften Augenblick erspähte sie einen Mann, mit dem sie noch eine Rechnung zu be- gleichen hatte: direkt auf der anderen Straßenseite, den
Rücken ihr zugewandt, den Hut tief ins Gesicht gezo- gen, den Mantelkragen hochgeschlagen in der Hoff- nung, der Blick der Polizei möge nicht auf ihn fallen. Bis jetzt war das noch nicht geschehen. Doch er hatte keine Chance, Crystals Aufmerksamkeit zu entgehen. Sie hät- te ihn aus einer zehnmal so großen Entfernung erkannt.
    »Winston Farmer«, hauchte sie mit angehaltenem Atem. »Jetzt klatscht dir die Scheiße ins Gesicht...« Und in einem eindringlichen Bühnenflüstern: »Offi- cer!«
    Die Polizisten sahen sich zu ihr um.
    »Kommen Sie hierher! Keine Angst. Tun Sie so, als ob Sie meinen Gesundheitspaß überprüfen würden.«
    Verdutzt, auf der Hut vor einer Falle, schob der Mann dennoch sein Visier zurück, so daß sie sein Gesicht se-
hen konnte, und kam näher, während seine Kollegin in einiger Entfernung verharrte, in wachsamer Stellung, um notfalls Hilfe herbeizurufen.
    »Was willst du?« fragte er, offenbar überrascht, von einer Person angesprochen zu werden, die normaler- weise alles daran setzte, einer Begegnung mit dem Ge- setz aus dem Weg zu gehen.
    »Ich hab' was für Sie! Sehen Sie den feinen Pinkel dort drüben, der sich so schrecklich viel Mühe gibt, kei-
ne Aufmerksamkeit zu erwecken? Das ist Winston Far- mer. Sagt Ihnen das etwas?«
    Der Polizist runzelte die Stirn, dann nickte er plötz- lich. »Der Dealer?«
    »Und Manager von drei Mädchen. Alle drei Cracker.« Damit beschrieb Crystal nicht etwa ihr Aussehen oder ihren Gesundheitszustand, sondern ihre Drogensucht. »Einmal in der Woche fährt er in den Norden, nach Li- verpool glaube ich, obwohl ich nicht sicher bin. Es wird behauptet, daß er dann Nachschub holt. Jeden Moment wird jetzt ein Wagen kommen, in den er dann einsteigt. Ein Jaguar. Meistens ist er pünktlich. Filzen Sie ihn jetzt, ich bin ziemlich sicher, daß er was dabei hat.«
    Sie versuchte, ihre Stimme zu beherrschen, doch bei aller Anstrengung konnte sie eine gewisse Gehässigkeit darin nicht unterdrücken.
    Die weibliche Polizistin war gerade rechtzeitig näher gekommen, um die letzten Worte zu hören. Sie sagte: »Das hört sich nach einer persönlichen Fehde an. Was hast du gegen ihn?«
    »Er hat versucht, mir 'ne Dosis Crack unterzujubeln. Er wollte mich an die Angel kriegen und zwingen, für
ihn zu arbeiten. Eins der Mädchen, bei denen er es ge-
    schafft hat, war mal meine beste Freundin. Bestimmt ist sie tot, bevor sie zwanzig ist.«
    Es würde keine weiteren Auseinandersetzungen ge- ben. Das wußte Crystal bereits. Aus irgendeinem Grund, den sie nicht erklären konnte, war sie sehr gut
darin geworden, Leute zu überreden, etwas zu tun, das sie von ihnen wollte. Kurz nachdem sie ihre neue Kar-
riere eingeschlagen hatte, war es ihr sogar gelungen, ei- nem betrunkenen, sadistisch veranlagten Freier auszu- reden, sie mit dem Messer aufzuschlitzen ... und es statt dessen gegen sich selbst zu richten. Ihr ganzes Le- ben lang würde sie sich bei geschlossenen Augen wie-
der diesen halbdunklen Raum vergegenwärtigen kön- nen, das zerwühlte Bett, Liter um Liter von Blut, das so
rot hervorquoll, so rot...! Sie hatte

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