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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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nachdem sie ihren be- herrschten Ton wiedergewonnen hatte: »Sie scheinen in dieser Angelegenheit eine eindeutige Stellung zu bezie- hen. Wenn Sie glauben, dennoch eine objektive Mei-
    nung vertreten zu können, lassen Sie mich bitte Ihre Ansicht wissen. Bieten Garths Eltern ihm eine gesunde, ausgewogene Erziehung oder nicht?«
    »Ich wollte, ich wüßte es!« Ein eindrucksvolles Ach- selzucken hob den Kragen seines abgewetzten Tweed- jacketts bis zu den Ohren hoch. »Ich besuche die Crowders etwa einmal im Monat, denn ungefähr nach vier Wochen fange ich regelmäßig an, mir wieder Sor- gen zu machen.«
    »Und...?«
    »Ich bleibe besorgt, bis ich mich im Haus befinde, und dann wird mir leichter ums Herz. Ich meine ... Doch es ist ja wohl Ihre Aufgabe, sich selbst ein Bild zu machen, wenn ich mich nicht irre.«
    Ja, natürlich. Es war vollkommen legal, daß Eltern ih- re Kinder zu Hause unterrichteten. Es war ihr Recht. Doch sie mußten nachweisen, daß die Erziehung zu Hause der in der Schule in nichts nachstand. Und in ei- nem halbzerfallenen Bauernhaus, ohne Fernsehgerät...
Gab es dort überhaupt ein Telefon?
    »Das letzte Stück müssen wir zu Fuß zurücklegen. Ein Mini liegt dafür zu tief am Boden.«
    Miss Fisher schrak aus ihren Gedanken auf, denn Mr. Youngmans letzte Äußerung betraf die unmittelbare Realität. Er hatte ungefähr hundert Meter unterhalb des Hauses angehalten, wo die Straße zu einem Pfad wur-
de. Während sie automatisch ihren Sicherheitsgurt lö- ste, wollte sie gerade fragen, wie die Crowders das Transportproblem lösten, als ihr Blick auf einen älteren
Citroen 2CV fiel, der neben der Scheune abgestellt war.
    An der Wand waren einige Holzstämme aufgestapelt. Außerdem Ballen von etwas, das aussah wie gewaltige dunkelbraune Sandwiches.
    »Ist das Torf?«
    »Hm? Ach so, ja. Sie brauchen jede Menge davon. Zum Heizen.«
    Vertrug es sich mit dem Konzept, sich auf unerschöpfliche
    Energiequellen zu beschränken, wenn man Torf als Heizmate- rial anstatt als Dünger benutzte?
    Bereits darauf gefaßt, zu einer negativen Beurteilung zu gelangen, folgte Miss Fisher in Mr. Youngmans Fuß- spuren in einem merkwürdigen Zickzack durch Matsch und Pfützen und wünschte, sie hätte vernünftigere Schuhe gewählt.
    »Guten Tag, Mr. Youngman! Und ich nehme an, Sie sind Miss Fisher? Ich bin Garth — wie Sie sich denken können. Wie geht es Ihnen?«
    Es war ein Junge mit schwarzen Haaren und braunen Augen — durchaus ordentlich gekleidet, mit einer Strickjacke, Jeans und Turnschuhen —, der von der Eingangstür des Hauses zu ihnen herüberrief.
    Jetzt kam er ihnen entgegengelaufen, um die Besu- cher am Gartentor zu begrüßen; die rostige Pforte hing
an rostigen Scharnieren angelehnt zwischen schrägen Mauerpfosten. Zu beiden Seiten säumten den Weg Rei- hen von verwelktem Gemüse, das von Fliegen um- schwirrt wurde; doch die Aufmerksamkeit der Besucher war voll und ganz von Garth in Anspruch genommen, der ihnen nicht nur die Hände schüttelte, sondern sie mit seinen beiden umfaßte, und als er sich umdrehte, um sie ins Haus zu geleiten, legte er einen Arm kame- radschaftlich um Miss Fishers Taille ... oder teilweise herum, denn sie hatte ziemlich zugenommen. Solche Vertraulichkeiten beim ersten Kennenlernen waren ihr normalerweise verhaßt, doch in diesem Fall erhob sie kei- ne Einwände, denn der Junge hatte ein so nettes Lächeln.
    »Mutter ist in der Küche«, erklärte Garth vergnügt. »Ich habe ihr gesagt, daß Sie bald hier sein würden und sie schon mal Wasser aufsetzen sollte — Sie mögen doch sicher eine Tasse Tee? Nesseltee natürlich. Wir können uns den echten nicht leisten, aber meine Eltern sagen, der andere sei sowieso gesünder. Und Dad ... Ja, da kommt er schon.«
    Sie blickten in die Richtung, in die er wies. Bekleidet mit ausgebeulten Cordsamthosen und einem altmodi- schen Hemd ohne Kragen, kam Roy Crowder mit einem Armvoll angekohlten Holzes auf sie zu.
    »Er hat den alten Hühnerschuppen abgebrochen«, er- läuterte Garth. »Sie wissen doch, daß wir Vegetarier sind, nicht? Also haben wir keine Verwendung mehr
dafür, während wir andererseits ständig knapp an Ka-
minholz sind ... Kommen Sie doch herein!«
    Und schneller als ein Lamm zweimal mit dem Schwanz wedeln kann, saßen sie rings um einen vierek-
kigen Bauerntisch und schlürften klaren, stark adstrin- gierenden Tee, aufgetragen mit frischgebackenen Hörn- chen und dazu selbstgemachte Butter und selbstge- machte

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