Kinder des Donners
zusammen und war wieder ganz da.
»Ja! Und noch vieles mehr. Sobald wieder Strom da ist ...«
Was genau in diesem Moment geschah, als ob sie an einer Wunderlampe gedreht hätte.
Sie ließ noch kurze Zeit verstreichen, um sicherzuge- hen, daß es kein falscher Alarm war, dann ging sie wie-
der an den Computer. Peter erhob sich rasch, um ihr zu folgen, da er befürchtete, ihre Bewegungen könnten un-
sicher geworden sein. Doch sie machte einen vollkom- men beherrschten Eindruck, während sie die Diskette einschob und die Reihe der Befehle eintippte. Es gab ei- nen Sicherheitscode, der viel Zeit in Anspruch nahm und bei dem mit äußerster Genauigkeit vorgegangen
werden mußte; sie schaffte es auf Anhieb.
Und während der nächsten Stunde wußte Peter nicht,
ob er in die unterste Etage zur wichtigsten Nachrichten- sensation seines Lebens eingelassen oder in den Dunst des abartigen Traums einer Phantastin gelockt wurde.
In der ländlichen Kleinstadt Marshmere, wo es vielen Leuten immer noch möglich war, trotz Großbritanniens
wirtschaftlichem Niedergang an der Illusion von Wohl- stand festzuhalten, war Richard Gall, Niederlassungs- leiter der Grafschaftlichen und Konsolidierten Bauge-
nossenschaft, eine angesehene Persönlichkeit. Das glei- che traf für seine Frau Edna zu. Er war Mitglied einer Freimaurerloge und des Golfclubs; sie war im Elternbei- rat der Schule und in Wohltätigkeitsvereinen aktiv. Sie wohnten in einem mittelgroßen modernen Haus am Rande der Stadt. Er fuhr einen Renault — gediegen, aber nicht übertrieben luxuriös — und sie einen Mini,
den sie gebraucht gekauft hatten. In ihrem Bekannten- kreis wurden sie für das ideale Ehepaar gehalten.
Mary Gall wußte es besser. Sie stritten sich niemals in der Öffentlichkeit, doch sie war keine »Öffentlichkeit«.
Auf diese Weise hatte sie herausgefunden, daß sie nicht die leibliche Tochter ihres Vaters war. Im Laufe einer der immer wiederkehrenden Zankereien hatte sie, als sie zwölf Jahre alt war, gehört, wie Edna Richard diese Tat- sache ins Gesicht geschleudert hatte, um ihn an all die
Demütigungen, die sie hatte erleiden müssen, zu erin- nern — endlose ärztliche Untersuchungen, eine Inspek-
tion all ihrer Organe, schließlich der kalte klinische Ein-
griff, auf dem er bestanden hatte — und ihm zuletzt mit einem Schwall von bissigen Bemerkungen seine unzu-
längliche Männlichkeit vorzuwerfen.
Als in diesem Augenblick die Türglocke schrillte, ver- wandelten sie sich auf der Stelle wieder in die liebens- würdigen Wesen, die sie üblicherweise zu sein pflegten.
Mary grübelte lange darüber nach. Schließlich ver- stand sie, warum ihre Mutter so oft schlecht gelaunt war, warum sie zuviel trank, warum sie rauchte, obwohl sie wußte, daß es ihrer Gesundheit schadete. Sie hatte keine klare Vorstellung von dem »Eingriff«, den Edna über sich hatte ergehen lassen müssen, doch nachdem sie beim Biologielehrer ihrer Schule — es war nicht die,
bei der Edna im Elternbeirat war — diskret einige Er- kundigungen eingezogen hatte, gelang es ihr, sich ein ziemlich genaues Bild zu machen.
Sie fing an, ihren Rachefeldzug zu planen.
Warum es so einfach war, wußte sie nicht genau. Sie wußte nur, daß sie seit neuestem die Gabe hatte, ihre Eltern so stark zu beeinflussen, daß sie sie mitten im schönsten Streit zum Aufhören veranlassen konnte; im allgemeinen setzten sie ihn allerdings fort, sobald sie im Bett lag, wo sie zitternd lauschte, während sie sich ge- genseitig die übelsten Beleidigungen an den Kopf war- fen.
Nach und nach festigte sich ein Entschluß in ihrem Geist. Doch es dauerte zwei Monate, bis sie ihren Plan in die Tat umsetzte, und länger als ein Jahr, bis er seinen lang ersehnten Höhepunkt erreichte. Sie war ein gedul- diges Kind; sie überstürzte selten etwas.
Schon gar nicht in wirklich bedeutenden Angelegen- heiten.
Sie wußte bereits einiges über Richards Arbeit. Ihr er- ster Schritt war, mehr darüber herauszufinden, bis sie sicher sein konnte, daß ihre Idee durchführbar war. Während der ersten Zeit nach ihrer Entdeckung, daß er
nicht ihr Vater war, hatte sie sich ihm gegenüber kühl verhalten, doch bald merkte sie, daß das ihrem Plan nicht zuträglich war, und schmeichelte sich bei ihm ein.
Tatsächlich ging sie eine Zeitlang so weit in die entge- gengesetzte Richtung, daß Edna ihr vorwarf, Partei zu ergreifen. Nach einer weiteren Weile hatte sie jedoch die richtige Ausgewogenheit
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