Kinder des Donners
gefunden.
Irgendwann, kurz nachdem die Buchprüfer der Nie- derlassung der Baugenossenschaft ihren alljährlichen
Besuch abgestattet hatten, fing sie an, ihren Vater zu bitten ...
Bitten?
Nein, das traf die Sache nicht ganz. Es war eher ein
Überreden, nur daß es nicht so schwierig war. Es ge-
schah so, daß sie sich behutsam in einen bestimmten Seelenzustand versetzte, um die richtigen Worte und den passenden Klang der Stimme zu finden, und dann die Wirkung beobachtete. Sie hatte nicht immer Erfolg, doch sie fand bald heraus, wann es funktionierte, und ahnte, warum es manchmal nicht ging; also unterließ sie es an den Tagen, an denen sie ihrem Talent nicht traute.
Im richtigen Augenblick jedoch — Wuff!
Indem sie ihre Geduld bis zum äußersten strapazier- te, wartete sie einen nervenpeinigenden Monat nach dem anderen, bevor sie die Falle auslegte, die sie sich für ihren Vater ausgedacht hatte. Die Versuchung, schnell zu handeln, war grausam, doch sie widerstand ihr bis drei Monate vor dem Zeitpunkt, an dem die
Buchprüfer wieder ins Haus standen: so lang, wie eine
Schwangerschaft dauerte.
Dann »überredete« sie Richard, daß die Familie unbe- dingt einen besseren Wagen haben müßte. Daraufhin stand prompt ein Jaguar vor der Tür. Als nächstes folgte der Umzug in ein größeres Haus, mit kurzer Kündi-
gungsfrist und langer Abzahlung; es kostete doppelt so-
viel wie das alte und hatte einen Tennisplatz im Garten. (An diesem Punkt fing Edna an, sich Sorgen zu machen, doch Mary redete beruhigend auf sie ein.) Dann folgte die Buchung einer Weltreise für sie alle drei auf einem Luxuskreuzer. Mary bedauerte es ein winziges bißchen, daß sie nicht tatsächlich stattfinden würde ... Später vielleicht. Im Moment war sie ganz und gar von ihrer Rache in Anspruch genommen.
Als nächstes folgten der teure Heimcomputer und die Videoanlage und der hochmoderne CD-Plattenspieler, komplett mit einer Sammlung Platten, die darauf abge- spielt werden konnten, und ein funkelnagelneuer Ci- troen, der Ednas Mini ersetzte, und ... und ... und ...
Zu dem Zeitpunkt, als die Buchprüfer erschienen,
fragte sich inzwischen bereits die halbe Stadt: »Wie macht er das bloß?« Nachdem sie weg waren, fragte sich die ganze Stadt: »Wie konnte er annehmen, damit nicht
aufzukippen?«
Denn natürlich war er aufgekippt. Aufgrund von Ma- nipulationen in der Buchhaltung der Baugenossen- schaft, die er mit seinem Heimcomputer durchgeführt hatte und bei denen er törichterweise die Kontrolldaten, die im Computer des Hauptbüros gespeichert waren, außer acht ließ, fehlten eine Million Pfund vom Geld an- derer Leute in seiner Zweigstelle; Hunderttausende da- von waren in irgendwelchen Kanälen verschwunden, die nur der Himmel kannte.
Und Mary.
Bei der Vernehmung durch die Polizei und später bei der Gerichtsverhandlung bestand Richards einzige Ver- teidigung, die er vorbringen konnte, in einem Winseln um Vergebung.
»Meine Tochter hat mich dazu gebracht, es zu tun!« Mary, die auf ihr eigenes Drängen hin im Gerichts- saal saß, während der meisten Zeit gefaßt und mit ei- nem unglaublichen reifen Benehmen, ergriff den Arm
ihrer Mutter, wandte sich zu ihr um und fragte erschüt-
tert: »Wie kann er etwas so Schreckliches behaupten?« Alle im Saal hörten es, einschließlich des Richters und der Jury, genau wie sie es beabsichtigt hatte. Obwohl der Richter sie rügte, weil sie so laut gesprochen hatte, war klar, daß er ihre Meinung teilte. Er verurteilte Ri- chard zu fünf Jahren Gefängnis.
Als sie zu Hause ankamen, brach Edna in Tränen aus, während sie die Pracht ihres neuen Hauses betrachtete.
»All das wird uns jetzt genommen«, jammerte sie. »Gott allein mag wissen, wo wir landen werden. Wir werden obdachlos sein!«
»Nein, das werden wir nicht«, sagte Mary gelassen
und ließ sich in einen der edlen, brokatbezogenen Ses- sel des Salons fallen.
»Was meinst du damit?« Edna starrte sie an.
»Du hast Geld genug, um die Hypotheken zu bezah- len.«
»Was redest du da für einen Unsinn! Ich habe nur das wenige ...«
»Das wenige, das Tante Minnie dir hinterlassen hat«, unterbrach Mary sie. »Ich weiß es, du hast mir oft genug davon erzählt. So wenig ist es auch wieder nicht, wie? Wenn wir beschließen, daß wir hier wohnen bleiben, dann wird es reichen, um zu leben. Wir können ein Au- to haben, wenn es auch wieder ein Mini sein muß und kein Jag . ..«
»Mary! Du redest wirklich Unsinn! Allein die Zinsen für die
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