Kinder des Donners
die Hand aus, um ihr den Nak-
ken zu streicheln. »Möchtest du, daß ich dir noch einmal sage, wie nützlich du gestern abend warst? Das warst du wirklich, weißt du? Während wir in Jakes Büro wa- ren, hätte ich die Augen schließen und schwören kön- nen, daß es nicht Claudia war, sondern du, die dieses geniale Verkaufsgespräch geführt hat.«
»Nein«, flüsterte sie, und ihr Mund war immer noch dicht an seiner Kopfhaut. »Nein, ich wollte nur sagen ...
Dad, ich liebe dich. Nachdem diese schreckliche Sache passiert war, habe ich unheimliche Angst gehabt, was mit mir wohl geschehen würde. Aber du warst wahn-
sinnig nett.«
»Ich liebe dich auch«, sagte Peter ernst. Und erst spä- ter fiel ihm auf, daß er das zum erstenmal wieder gesagt
hatte — außer zu verschiedenen halbvergessenen Ge- liebten —, seit er es im Alter von acht Jahren zu seiner Mutter gesagt hatte.
Er zog sie herunter auf seinen Schoß und hielt sie ei- ne Weile fest an sich gedrückt, innerlich glühend; er wollte nicht der erste sein, der diese Stimmung durch- brach. Gegenüber dem Sessel, auf dem sie saßen, lief der Fernsehapparat, doch der Ton war abgedreht, und ohne Kommentar kamen ihm die Bilder auf der Matt-
scheibe sinnlos vor.
Schließlich sprang Ellen auf.
»Abendessen!« rief sie. »Gutsherrenschmaus! Gefro-
rene Hähnchenteile, muß ich leider sagen, aber ich habe mein Bestes getan. Ich hoffe, es schmeckt.«
Ich auch. Aber wenigstens weiß ich jetzt eins gewiß. Clau-
dia hatte recht, nicht wahr? Und ich dachte, sie sei eine ver- knöcherte Feministin, die Männer haßt. Bis letzte Nacht...
Die Erinnerung an den Geschmack ihres Mundes ver- mischte sich auf seiner Zunge mit dem scharfen Biß des Whiskeys. Zum erstenmal seit Jahren vollkommen ent- spannt, wartete Peter auf Ellens Ruf, sich mit ihr an den Tisch zu setzen und ihr kulinarisches Werk zu kosten.
Innerhalb kurzer Zeit nach der Rückkehr seiner Familie nach England hatte David Shay dank des Computer- Suchprogramms, das er Tag und Nacht laufen hatte, zwei Tatsachen zweifelsfrei herausgefunden.
Bei Harry war tatsächlich eine Vasektomie vorgenom- men worden. Das ging aus seinen medizinischen Daten
hervor. Und zwar war sie durchgeführt worden, als er
noch mit seiner früheren Frau zusammenlebte, sehr wahrscheinlich auf ihr Betreiben hin. Bis zu der Zeit, als er nach Kalifornien übersiedelte, war nichts davon er- wähnt, daß die Operation rückgängig gemacht worden sei.
Wie konnte Alice also schwanger werden? Vorüber-
gehend zog er die Möglichkeit in Betracht, daß sie ein Verhältnis mit einem Freund gehabt haben könnte, doch nach kurzer Zeit verwarf er sie, da sie nicht mit Harrys Einstellung zu ihr in Einklang zu bringen war. Er mochte stolz sein auf die Figur seiner Frau und sie
gern zur Schau stellen, doch trotzdem war er besitzer-
greifend, manchmal sogar ausgesprochen eifersüchtig.
So blieb im wesentlichen also nur eine Alternative:
künstliche Befruchtung. Nach Davids Ansicht hätte es Harry allenfalls toleriert, wenn sie ein Baby von einem anonymen Fremden empfangen hätte, besonders seit
die Methode hinreichend unpersönlich gehandhabt wurde, und vor vierzehn oder fünfzehn Jahren war sie noch recht weit verbreitet.
Leider bedeutete das natürlich, daß seine Suche nach seinem biologischen Vater sich noch langwieriger und schwieriger gestalten würde, als er es sich anfangs vor- gestellt hatte. Doch er wurde immer geschickter im Aus- graben von Daten, die sehr privater Natur waren; so ge- langte er zum Beispiel mühelos an Harrys medizinische Daten, wozu er keineswegs berechtigt war.
Und die zweite Entdeckung, die er machte, war fast ebenso wichtig. Seine Bedeutung, die er als seinen >Charme< bezeichnete, hatte aller Wahrscheinlichkeit
nach etwas mit Vererbung zu tun. Vielleicht war es so-
gar eine Art Mutation. In der offiziellen Literatur fand sich kaum etwas über derartige Fälle, doch weitreichen- de — und teure — Nachforschungen brachten da und dort Nachrichtenmeldungen zu Tage, die eine aufregen- de Ähnlichkeit mit seinem eigenen Fall aufwiesen: Be- richte über junge Leute, alle ungefähr im gleichen Alter, die einen besonderen Dreh heraus hatten, ihren eigenen Weg zu gehen ...
Zunächst erschien ihm die Aussicht, andere Jugend- liche, die ihm ähnlich waren, kennenzulernen, äußerst verlockend. Als er jedoch eingehender darüber nach-
dachte, kam er zu der Ansicht, daß es auch riskant sein könnte. Er hatte keine Ahnung,
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