Kinder des Feuers
seins. Aber wer weiß, ob er dich dein Leben lang lieb gehabt hätte. Wer weiß, ob er nicht auch über dich großes Unglück gebracht hätte, ohne dass du es dir hättest eingestehen können.«
Einst war Mathilda mit einem Schrei aus ihren Träumen aufgeschreckt, heute fühlte sie sich wie betäubt, als sie die Augen aufschlug. Ihr Mund war trocken, ihr Geist verwirrt. Sie blickte um sich und wusste kurz nicht, wo sie war. Der Traum schien wirklicher als die Zeit in Sainte-Radegonde, die hinter ihr lag.
Maura, fiel ihr wieder ein, Maura lebt nun auch hier im Kloster … Doch als sie nach der einstigen Gefährtin Ausschau hielt, sah sie, dass der Strohsack leer war.
Mathilda erhob sich. Sie wagte nicht, noch länger zu schlafen und sich noch mehr Träumen auszuliefern. Zu sehr hatte sie bereits dieser aufgewühlt, und sie suchte seiner Macht zu trotzen, indem sie erst in den Hof ging, um sich an der frischen, kalten Luft zu laben, dann in die Kapelle, um sich mit Gebeten zu betäuben. Hier wie dort blieb die Ahnung von Unheil an ihr haften.
Sie verließ das Gotteshaus wieder, kam am Garten vorbei und überlegte kurz wie so oft, im Boden zu wühlen, sich am Geruch der Erde zu stärken und am Gedeihen der Pflanzen zu erfreuen, doch noch war das Licht zu grau, um zwischen kostbaren Heilpflanzen und Unkraut zu unterscheiden.
Stattdessen betrat sie die Kräuterstube, sog tief die intensiven Gerüche ein, spürte, wie der Druck an den Schläfen sich etwas verflüchtigte. Erschöpft blieb sie dennoch, und sie ließ sich auf einen der Holzschemel fallen. Hier wollte sie sitzen bleiben und den neuen Tag erwarten – der Schemel war bequem genug, um sich auszuruhen, jedoch zu hart, um darauf einzuschlafen, und das kam ihr gerade recht.
Das Licht, das von draußen kam, wurde heller, der Traum hingegen verblasste, und die Stimmen der Nonnen schließlich, die sich auf den Weg zur Kapelle machten, waren lauter als die der Frau, die von Saint-Méen erzählte und ihren Vater schlechtmachte.
Mathilda fühlte sich nun besser, nur ihr Mund war trocken. Sie erhob sich vom Schemel, überlegte kurz, die Cellerarin um Milch zu bitten, um den Durst zu stillen, sah dann aber auf dem Tisch, wo die Kräuter trockneten, einen Krug stehen. Wahrscheinlich befand sich ein Heiltee darin, von Schwester Alba als Stärkung für die Kranken angesetzt.
Mathilda ergriff den Krug, führte ihn an ihre Lippen, trank durstig. Kurz war ihr egal, was sie da trank – Hauptsache, sie konnte die trockene Kehle benetzen und den galligen Geschmack vertreiben. Doch nach ein paar Schlucken ließ sie den Krug entsetzt fallen.
Was immer sich in diesem Krug befand und nun auf dem lehmigen Boden eine Pfütze bildete – es war kein heilender, stärkender Tee. Das, was sie trank, schmeckte erst süß, dann bitter. Sie kannte den Geschmack. Sie kannte ihn von Lyons-la-Forêt. Sie kannte ihn seit jenem Tag, da jemand versucht hatte, sie zu vergiften.
Vielleicht hatte sie damals mehr davon getrunken, vielleicht waren ihr Körper oder ihr Lebenswille seitdem stärker geworden, vielleicht war das Gift anders dosiert: In jedem Fall dauerte es länger, bis die Krämpfe kamen, bis das Blut wie Eis durch ihre Adern lief, bis Schwindel ihren Kopf erfasste. Es blieb genug Zeit, um zum Wandschrank zu eilen, blind nach getrockneten Kräutern zu greifen und so viel wie möglich davon in den Mund zu stecken. Ihre Augen tränten, als sie die Halme weit nach hinten schob. Sie stachen in die Zunge, in den Rachen, in die Kehle, schließlich begann sie wie erhofft zu würgen.
Es dauerte lange, bis sie alles erbrochen hatte, die sämige Flüssigkeit, die eigene Galle und die Kräuter. Ihre Kehle brannte hinterher wie Feuer, und obwohl die Krämpfe nachließen, schmerzte ihr Magen. Erschöpft sank sie auf die Knie, ihre Augen tränten noch immer, aber dennoch sah sie klar – klarer als in all den Jahren.
Mein größter Feind ist kein Mann. Mein größter Feind ist eine Frau.
Sie war zu erschöpft, um darüber entsetzt zu sein oder die eigene Dummheit zu beklagen, aber sie war nicht zu erschöpft, um vom Wandschrank wegzukriechen, sich auf dem Boden zusammenzurollen, starr liegen zu bleiben, so lange, bis sie Schritte hörte, leichte, leise, weiche Schritte.
Sie fühlte sich erbärmlich, aber jenes Elend mehrte ihre Wut. Am liebsten hätte sie die andere mit Fäusten erwartet. Aber sie beherrschte sich, schluckte den bitteren Geschmack in ihrem wunden Gaumen, suchte, sämtliche
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