Kinder des Feuers
Augenblicke von ihrer … Rache.
Ja, es war der Wunsch nach Rache, der sie trieb. Ihre Mutter Cadha sagte zwar, es sei eine gute Tat, die sie verüben und die Gott ihr eines Tages reichlich lohnen würde, aber Maura hatte all die Jahre nicht deswegen verbissen ihre Aufträge erfüllt. Ihr Lohn war es, es Mathilda heimzuzahlen, dass ihr Leben nie ihr eigenes gewesen war, dass sie immer in ihrem Schatten gestanden hatte. Dass sie nie ihre Wege selbst lenken konnte, sondern immer nur ihrem folgen musste. Dass ihre eigene Mutter sie liebte, aber diese Liebe opferte, um eine wichtige Mission zu erfüllen. Wenn Mathilda tot war, würde sie sich endlich selbst gehören.
Die Aussicht darauf ließ ihre Augen leuchten. Sie griff nach dem Messer, hob es, wollte es in die Brust der anderen stechen. Doch Mathilda war nicht entgangen, was sie plante. Blitzschnell duckte sie sich unter den Tisch. Das Messer traf Holz, keine Haut, und das Holz war so hart, dass es darin stecken blieb. Maura zerrte noch daran, als Mathilda sich wieder aufrichtete, auch sie nun mit einem Messer in der Hand. In der Kräuterstube gab es mehr als eines – und sie kannte sich aus. Dieses war geschliffen.
Verzweifelt zerrte Maura an dem Griff. Als er sich endlich löste, war es zu spät. Sie konnte ihre Waffe nicht mehr heben, sondern wurde von Mathildas getroffen.
Der Schmerz in der Brust zerriss sie. Am Ende bekam sie kein Leben für sich allein. Nur den Tod.
Das Töten ging so schnell und leicht. Da war keine unsichtbare Macht, die ihre Hand zurückriss, kein Ekel, als Blut floss, keine Reue, als Maura zu Boden sank. Da war nur ein blinder Rausch, kurz so mächtig, dass sie das Messer beinahe erneut erhoben hätte, um so lange zuzustoßen, bis von diesem Körper nichts übrig blieb als offenes Fleisch und Blut. Es genügte nicht zu töten, nein, vernichten wollte sie, Mauras verbleibenden Lebensodem ganz und gar rauben, sich selbst daran laben und stärken, bis alles Grauen über die heimtückische Tat abgeschüttelt war und nur mehr zählte, dass sie sich als die Stärkere erwiesen hatte.
Doch jener Rausch verflüchtigte sich rasch. Das Blut stockte, Maura atmete noch, und Mathildas Triumphgefühl schwand.
Sie sank neben die Sterbende auf den Boden, wo sich die Blutlache ausbreitete. Noch konnte sie dem Gefühl von Reue, das aufstieg, nicht nachgeben. Noch war Zeit, um Fragen zu stellen.
»Wer bin ich? Wer bin ich denn, dass du mich töten willst?«
Bläschen, erst weiß, dann rötlich, traten aus Mauras Mundwinkeln. Ihre Augen schienen gelblich, ihr Atem war rasselnd.
»Du hast kein Recht … in diesem Kloster zu sein … in keinem Kloster dieser Welt dürfte … eine wie du leben.«
Der nahe Tod nahm der Stimme die Kraft, aber nicht den Hass.
»Mein Vater war Nordmann, ich habe das längst geahnt«, murmelte Mathilda, »aber das ist nicht meine Schuld. Ich wollte immer eine gute Ordensschwester sein.«
»Es geht nicht bloß ums … Wollen. Das Schicksal bürdet uns Lasten auf, die wir tragen müssen. Du … bist nicht nur die Tochter eines Nordmannes, das allein macht dich nicht gefährlich. Du … bist auch das Kind … das Kindeskind von …« Sie brach ab.
»Du warst doch all die Jahre meine Gefährtin … meine Freundin.«
Aus Mauras Brust tropfte Blut, aber Mathilda fühlte kein Mitleid, sondern sich selbst waidwund. Das Wissen, betrogen und verraten worden zu sein, war nicht tödlich wie ein Gift oder ein Messer – aber nicht minder schmerzlich.
»Ich bin … mit dir … ins Kloster gebracht worden«, brachte Maura stockend über die Lippen. »Ich war … etwas älter als du, und … ich kann mich an alles … erinnern. Meine Mutter … hat mich ins Kloster geschickt, um … dein Leben zu überwachen. Ich habe es … immer gehasst. Ich war … niemals deine Freundin.«
»Wer … wer war deine Mutter? Die böse Frau, vor der ich geschützt werden soll?«
»Nein … meine Mutter Cadha war keine … mächtige Frau, sie war … deine Amme, ich war … ihr leibliches Kind, sie hat uns … gemeinsam gestillt. Und sie war … eine gute Christin. Sie nährte dich … an ihrer Brust, weil … ihr keine andere Wahl blieb, aber … sie hat immer gewusst, dass du nicht leben darfst. Sie war … ihr immer treu ergeben.«
Maura … das Kind ihrer Amme … die Amme, die Cadha hieß und sie ablehnte. Genauso wie Maura sie hasste.
Wir haben uns Cadhas Milch geteilt, dachte Mathilda, jetzt versuchen wir, uns zu töten. Sollten Frauen nicht
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