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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Boden gefroren und daher steinhart war und es nichts zu ernten gab, hockte sie gern im Kräutergarten, bis ihre Lippen blau und ihre Hände steif waren, und sie genoss es, dass dieses Fleckchen Erde nur ihr gehörte und dass die Geister der Vergangenheit es nicht betreten durften. Die Erkenntnis, dass sie Arvid liebte, und der Schmerz, dass diese zu spät kam, verfolgten sie ebenso wenig bis hierher wie das Rätsel um ihre Herkunft. Was zählte auch, woher sie stammte, wenn sie sich diesen Boden hier zur Heimat machen konnte, nicht kraft ihrer Geburt, sondern kraft ihres Willens, diesem fruchtbaren Boden heilbringende Pflanzen abzuringen.
    Kaum jemand leistete ihr dabei Gesellschaft, höchstens Schwester Alba, die viel von Kräutern wusste, jedoch zu blind war, um sie noch länger anzubauen, und kein anderes Thema kannte als dieses. Nachrichten von jenseits der Mauern hingegen erreichten sie so gut wie nie. Manchmal fragte sich Mathilda, wie es wohl Richard erging, ob er immer noch König Ludwigs Gast oder vielmehr Geisel in Laon war und ob er jemals die Normandie als Graf regieren würde, doch das Bild des Kindes mit Sprotas wachen Augen, dem sie eigentlich sehr zugetan gewesen war, verblasste ebenso wie die meisten anderen Gesichter, die in ihrem früheren Leben wichtig gewesen waren.
    Erst im Januar des Jahres 945 wurde der Friede gestört. Jemand klopfte an die Pforte und verlangte Einlass – eine Neuigkeit, die so aufsehenerregend war, dass sie sich in Windeseile im Kloster verbreitete. Bettler wären auf dem langen Weg verhungert, Pilger kamen so gut wie nie, da das Kloster keine bedeutenden Reliquien barg, und die gefürchteten Heiden aus dem Norden, die dann und wann wagten, ihre zu Christen gewordenen Landsleute heimzusuchen, würden nicht klopfen. Vielleicht, so der erste Verdacht, waren es Priester, vom Bischof geschickt, wieder einmal nach dem Rechten zu schauen.
    Doch als das Tor geöffnet wurde, standen keine Männer davor, sondern eine Gruppe Frauen, und sie trugen sämtlich einen Ordensschleier.
    Vier waren es insgesamt, aber nur eine sprach zu ihnen. Sie erklärte, dass sie von einem Kloster westwärts stammten, drei Tagesmärsche entfernt und ebenso einsam an der Küste gelegen wie Sainte-Radegonde. Ein Fieber habe es heimgesucht und alle älteren und schwächeren Mitschwestern – darunter die Äbtissin und die Subpriorin – hinweggerafft. Sie seien die Einzigen, die überlebt hatten, sähen sich nun aber außerstande, ohne Führung ihr gottgefälliges Leben fortzusetzen, und bäten um Aufnahme in diese Gemeinschaft.
    Die Schwestern betrachteten sie so misstrauisch wie einst Mathilda, als diese an die Pforte geklopft hatte. Alles Fremde war zunächst eine Bedrohung. Doch die Augen der lebensklugen Äbtissin blitzten, als sie sah, dass die vier Nonnen Kostbarkeiten aus ihrem Kloster mitgebracht hatten – bronzene Kelche und einen silbernen Kandelaber, ohne Zweifel Reichtümer, wenngleich, wie es Mathilda durch den Kopf ging, hier in der Einsamkeit äußerst nutzlose. Weder ließen sich mit ihnen die kargen Mahlzeiten würzen, noch der heisere Gesang melodischer stimmen.
    Im nächsten Augenblick achtete sie jedoch nicht länger auf die Gaben. Nachdem die Äbtissin sie hineingewinkt hatte, waren die Schwestern über die Schwelle getreten, und als Mathildas Blick auf die jüngste von ihnen fiel und sie erkannte, begann sie vor Freude zu zittern. Sie hatte ihr halbes Leben mit ihr verbracht, und einst Nacht für Nacht an ihrer Seite geschlafen. Arvid und sie hatten sie damals nicht unter den Toten entdeckt, doch Mathilda war sich sicher gewesen, dass sie den Angriff der Bretonen unmöglich überlebt haben konnte. Nun aber stand sie leibhaftig vor ihr, gealtert und etwas ausgezehrt, aber höchst lebendig.
    »Maura!«, rief Mathilda, und ihre Stimme klang erregt wie selten. »O Maura!«
    Sie hatte längst nicht mehr auf Gottes Zeichen gewartet, dass es richtig war, hier im Kloster zu leben, und die Sünde, die sie mit Arvid begangen hatte, vergeben – der vermeintliche Friede, den sie gefunden hatte, deuchte sie als ausreichender Beweis dafür. Doch dass sie ausgerechnet Maura wiedertraf, die einst engste und liebste Gefährtin in Saint-Ambrose, konnte sie nicht anders deuten, als dass ihr die Himmelsmächte wohlgesinnt waren. Zum Gefühl von Frieden gesellte sich Freude – tiefer, wärmer, bewegender als alles, was sie seit Monaten gefühlt hatte. Es war fast unmöglich, der anderen nicht um den

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