Kinder des Feuers
Arvid und zwei normannischen Kriegern unterwegs, war mit ihnen auf der langen Wegstrecke entweder in Herbergen eingekehrt oder hatte unter freiem Himmel geschlafen und ritt nun mit ihnen auf das Stadttor von Laon zu.
So breit die Straße auch war, hier war sie von Wagen und Menschen derart verstellt, dass mit den Pferden kein Durchkommen war. Arvid half Mathilda von ihrem Ross, damit sie wie er zu Fuß gehen konnte. Er hielt ihre Hand etwas länger als notwendig. Es waren diese vielen kleinen, unauffälligen Gesten, die seine Zuneigung verrieten, obwohl es bei der einen gemeinsamen Nacht geblieben war und es keine rechte Zeit gab, ihre Liebe zu bekennen.
»Es gäbe immer noch die Möglichkeit für dich umzukehren«, sagte er leise, nachdem er ihre Hand wieder losgelassen hatte. »Du musst es nicht tun.«
»Doch«, beharrte Mathilda. »Sprota hat mich damals in Fécamp bei sich aufgenommen Ich habe mich ihr gegenüber nie als sonderlich dankbar erwiesen, ich hatte damals das Gefühl, nicht zuletzt sie sei schuld, dass ich das falsche Leben führe. Aber sie war trotzdem für mich da.«
Arvid senkte seinen Blick. »Ich habe Angst um dich«, gestand er erstmals offen ein.
Mathilda seufzte. Sie wusste, sie konnte ihm diese Angst nicht nehmen, aber ihr zumindest Entschlossenheit entgegensetzen.
»Es wird alles gut gehen«, sagte sie.
Auch wenn das eine mit dem anderen nichts zu tun hatte, so erschien ihr Richards Geschick wie ein Omen für ihr eigenes. Sie war sich sicher: Wenn sie es schaffen würden, Richard wohlbehalten nach Rouen zu bringen, würde sie endlich selbst glücklich werden – in einem Leben, in dem sie nicht länger auf eine Zukunft verzichtete, nur weil sie die Vergangenheit nicht kannte.
Sie nickte beschwörend, dann schritten sie gemeinsam durch das Stadttor.
Mathilda hatte sich den Umhang tief ins Gesicht gezogen, senkte nun den Blick und überließ es Arvid, zu sprechen. Sie trug zwar keine besonders edle Kleidung, aber sie war doch aus dickem, flickenlosem, sauberem Leinen, die sie als Frau von gewissem Stande auswies. Arvid hingegen hatte die Mönchskutte angezogen. Eigentlich trug er sie schon seit längerer Zeit nicht mehr, doch für ihren Plan war es unverzichtbar, dass er als Priester auftrat.
»Wie merkwürdig«, hatte er gesagt, »mein Leben lang habe ich mir gewünscht, ein Mann Gottes zu sein. Und ausgerechnet nun, da ich mit diesem Wunsch abgeschlossen habe, muss ich einen spielen.«
Ob Priester oder nicht – zunächst stießen sie auf Misstrauen. Vor dem Tor der königlichen Pfalz standen mehrere Wachen, die nicht bereit waren, sie einzulassen, weder als Arvid erklärte, dass er von der Normandie hergereist sei, um im Auftrag Bernhard des Dänen nach dem jungen Grafen zu sehen, noch als er obendrein ein Schreiben von diesem vorzeigte, das ihn als Richards einstigen Erzieher auswies.
Mathilda sank der Mut, doch so schnell wollte sie sich nicht geschlagen geben. Während Arvid nach Worten rang, hob sie den Blick, strich ihren Umhang zurück und blickte flehentlich die Wachtposten an.
»Habt Erbarmen! Ich selbst bin Richards einstige Amme und von niemand anderem als Richards Mutter gesandt worden. Wir haben gehört, dass er schwer erkrankt sei. O bitte, erlaubt uns, ihn zu sehen, damit wir in der Heimat berichten können, dass er genesen wird.«
Sie hielt den Atem an, nachdem sie geendet hatte. Die Männer betrachteten sie eingehend. Wunderten sie sich, weil sie nichts von Richards Krankheit wussten? Oder überlegten sie vielmehr, ob sie nicht zu jung war, seine einstige Amme zu sein? Immerhin hatte sie ihr fünfundzwanzigstes Lebensjahr erreicht – und sah so aus. Ihr Haar war zwar noch voll und wuchs in kräftigem Rotbraun, und bis jetzt hatte sie keinen einzigen Zahn verloren, aber manch kleine Falte um Mund und Augen kündete von durchlittener Auszehrung und Todesangst.
Endlich gab sich einer der Männer einen Ruck. »Der König weilt nicht in der Stadt, aber wir werden der Königin sagen, was euer Begehr ist.«
Zermürbende Stunden mussten sie nun vor dem Tor warten. Mathilda und Arvid mieden es, sich anzusehen, und wichen auch dem Blick der Wachen – aufdringlich und misstrauisch zugleich – aus. Als es dunkel wurde, kehrte jener Mann, der mit ihnen gesprochen hatte, wieder und winkte ihnen, ihm zu folgen.
Mathilda hatte ihre Kapuze erneut aufgesetzt und hielt den Blick starr auf den Boden gerichtet. Sie sah kaum etwas vom Hof und den Wirtschaftsgebäuden, die ihn
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