Kinder des Feuers
Die Fensterbalken waren versiegelt, ein säuerlicher Geruch lag in der zum Schneiden dicken Luft. Nicht weit von der Bettstatt entfernt standen zwei Krüge mit Essigwasser, doch keiner machte Anstalten, Leinentücher zu tränken und dem Knaben kühlende Wickel zu machen.
Osmond de Cent-Villes stand hilflos an Richards Bett. Er musterte Arvid und Mathilda nur flüchtig, und obwohl er sie seit Jahren kannte, gab er vor, sie nicht zu erkennen. Auch sie richteten kein Wort an ihn – zumindest, solange der Mansionarius, der Mann, der bei Hof für Einrichtung und Reinigung der Gemächer verantwortlich war, an ihrer Seite verharrte.
Mathilda brach der Schweiß aus. An Obsorge für den Knaben wurde gespart – an Holz nicht. Neben der mit Steinen ausgekleideten Feuerstelle und einer aus dünnen Eisenplatten zusammengefügten Platte, die verhinderte, dass Funken auf den Holzboden übergriffen, lag ein großer Stapel Brennholz, und Osmond warf alle Augenblicke ein neues Scheit in die Flammen.
Schon nach kurzer Zeit sehnte sich Mathilda danach, in frischer Luft einen tiefen Atemzug machen zu können, aber sie ließ es sich nicht anmerken, sondern trat rasch zu Richard, legte ihm die Hand auf das verschwitzte Gesicht und strich tröstend darüber. Richard stieß sie nicht fort, aber stöhnte in einem fort, woraufhin Arvid, der Abstand hielt, Gebete zu murmeln begann.
Osmond beachtete die beiden auch weiterhin nicht. Er wandte sich wutentbrannt an den Mansionarius: »Warum ist heute noch kein Arzt gekommen? Laon gilt als Zentrum der Gelehrten! Doch die, die den kleinen Grafen bislang untersucht haben, waren sämtlich Quacksalber.«
Der Mansionarius blickte ihn finster an, sichtlich erbost, weil es nicht zu seinen Aufgaben gehörte, die Pflege des Knaben zu überwachen, und weil er es Osmond nicht zubilligte, die Ärzte des Königshofs schlechtzumachen. Anstatt auf Osmonds Vorwurf zu antworten, drehte er sich einfach um und verließ wortlos den Raum.
Kaum schloss sich hinter ihm die Tür, veränderte sich ihrer aller Miene und Verhalten – Arvid hörte zu beten auf, in Mathildas eben noch sorgenvollem Gesicht leuchtete es triumphierend auf, und Osmond nickte anerkennend, weil sie es tatsächlich hergeschafft hatten.
»Man hat euch tatsächlich zu Richard gelassen!«, rief er.
»Wie es scheint, schlägt auch in Gerbergas Brust ein mütterliches Herz«, sagte Mathilda.
»Von wegen!«, zischte Osmond, wie immer kaum fähig, seine Gefühle im Zaum zu halten. Er war Wilhelm bedingungslos treu gewesen und seinem Sohn war er es nun auch – und wer immer diesen bedrohte, war ein Feind bis in den Tod. Osmonds Welt kannte kein Grau, nur Schwarz und Weiß.
»Wenn wir wirklich einen Arzt bräuchten, wäre unsere Lage hoffnungslos. Ich habe nicht übertrieben, als ich von Quacksalbern sprach. Vielleicht verstehen die Ärzte hier sogar etwas von der Medizin, aber sie haben nichts getan, um Richard zu helfen – im Gegenteil. Wenn sie nicht ohnehin überzeugt wären, dass er sterben wird, hätten sie womöglich auch noch nachgeholfen und ihm ein Gift verabreicht.«
Richard setzte sich auf. Er stöhnte nicht länger, und seine Augen waren nicht mehr ins Weiße überdreht. Sein Leiden war nur gespielt, und das ausnehmend gut, wie Mathilda fand. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, sie wäre bei seinem Anblick vor Sorge vergangen. Der Schweiß auf der Stirn war allerdings echt – kein Wunder bei dieser Wärme.
»Mathilda!«, rief er freudig. Richards Stimme klang krächzend – nicht mehr kindlich klar und hoch wie einst. Er wirkte viel älter und von der langen Gefangenschaft zermürbt und hatte in letzter Zeit wohl streng gefastet, um abzumagern. Sein Gesicht war eingefallen, nur die braunen Augen leuchteten.
»Gottlob hat keiner der vermeintlich schweren Krankheit misstraut«, sagte Osmond.
»Wahrscheinlich hoffen sie alle so sehr, dass er von selbst stirbt«, meinte Arvid, »dass sie das geringste Zeichen, das darauf hindeuten könnte, begierig beklatschen, anstatt es nüchtern zu deuten.«
»Bringst du eine Botschaft von meiner Mutter?«, fragte Richard aufgeregt. Vor anderen hatte er Sprota seit Jahren nicht mehr erwähnt – aber nun, in der Erleichterung, dass ihr Plan bis jetzt aufgegangen war, gelang es ihm nicht, die übliche Distanz zu einer Frau, die nur eine Konkubine war, aufrechtzuerhalten.
»Sie ist mit Gedanken und Gebeten bei dir«, versicherte Mathilda ihm.
Sie konnte sich nicht daran erinnern, Richard
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