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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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hinten saßen tatsächlich Männer beisammen, gottlob bislang so sehr mit ihren Weinkrügen beschäftigt, dass niemand auf sie achtete. Obwohl sie auf dem lehmigen Boden keinen Lärm verursachte, schlich Mathilda dicht an die Mauer gepresst auf Zehenspitzen weiter. Der Gestank der Latrinen verflüchtigte sich, stattdessen stieg ihr ein erdiger Geruch in die Nase. Sie hörte ein Schnauben, ein Wiehern, das Scharren von Hufen – und obendrein die Stimme eines Stallknechts: »Wer da?«
    Eben noch hatte sie gefroren, nun brach ihr der Schweiß aus. Sie duckte sich rasch, presste sich noch fester an die Mauer, spürte, wie der Stein ihr Gesicht und ihre Hände aufschürfte. Schritte kamen näher und mit ihnen ein Lichtschein, doch er fiel nicht auf sie, und schließlich entfernten sich die Schritte wieder.
    Sie wagte kaum, erleichtert auszuatmen, und starrte hoch zum Himmel. Nicht mehr dunkelschwarz war das große Zelt, das die Welt beschirmte, sondern verhieß bereits eine Ahnung von Morgengrau. In jenem Zwielicht konnte sie zwar die Umgebung besser erkennen, aber zugleich war es ein Zeichen, dass die Zeit gnadenlos verstrich – Zeit, da Arvid mit wachsender Sorge auf sie wartete.
    Der Gedanke an ihn gab ihr Mut, sich von der Wand zu lösen und weiterzuhasten. Irgendwo mussten die Thermen sein, irgendwo die Kapelle und irgendwo die Bäckerei!
    Schließlich roch es doch noch nach Brot, und die nächste Tür, auf die Mathilda stieß, ließ sich öffnen. Dahinter befand sich jedoch keine Bäckerei mit Öfen und großen Bottichen, worin der Teig geknetet wurde, sondern nur eine Vorratskammer. Sie zuckte zusammen, als sie ein Rascheln hörte. Wenig später huschte etwas an ihren Beinen vorbei – eine Maus, die sich am Getreide gütlich tat, oder eine Katze, die sie verfolgte.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals, aber die Augen gewöhnten sich an das trübe Licht. Am anderen Ende der Kammer gab es eine weitere Tür, auch diese ließ sich öffnen. Und dahinter erwartete Mathilda keine neue Vorratskammer, kein Gang und keine Mauer, sondern – weites Land.
    Hatte ihr der Zufall den Weg aus Laon gewiesen?
    Sie unterdrückte ein erleichtertes Jauchzen, begann dann zu laufen – nicht mehr auf fest gestampftem Lehm jetzt, sondern durch knöchelhohes Gras – und sah in der Ferne einen Mann stehen, einen Mann mit einem dunklen Umhang, wie Arvid ihn trug. Mathilda konnte ihr Verlangen unterdrücken, laut seinen Namen zu rufen, nicht aber aufhören zu laufen, ja zu rennen, bis sie endlich mit ihm vereint war.
    Gleich würde das sein, gleich konnten sie fortreiten, gleich waren sie in Sicherheit. Und hinter dem Gleich wartete die Zukunft mit ihm.
    Die schwarze Gestalt hatte auch sie entdeckt und kam auf sie zu. Anders als die ihren, waren deren Schritte nicht schnell und federnd, eher gemessen. Die Gestalt wirkte steif, viel steifer, als Arvid es war, und an ihrem Gürtel hing ein Schwert, das Arvid nicht trug.
    Es war zu spät zurückzuweichen. Zu der einen schwarzen Gestalt gesellten sich weitere, kreisten sie von allen Seiten ein. Nun schrie sie doch, wenn auch nicht Arvids Namen. Gleich legte sich eine Hand über ihren Mund, um den Laut zu dämpfen, dann presste man ihr ein hartes Stück Stoff zwischen die Lippen. Mathilda glaubte, ersticken zu müssen, aber sie hatte genügend Luft zum Atmen und um zu sehen, wie jener Fremde seine Kapuze zurückschlug.
    Es war Hasculf.
    Das Pferd wieherte gequält, weißer Schaum stand ihm vor dem Mund. Dennoch kannte Arvid keine Gnade mit dem Tier. Immer wieder hieb er seine Fersen in die Flanken, um ein weiteres Mal die Umgebung von Laon abzureiten. Täglich nahm er dieselbe Strecke, getrieben von der Hoffnung, dass sie ganz plötzlich doch noch auftauchte. Aber die Zeit verging, die Erschöpfung wuchs, das Pferd wurde immer unwilliger, und von Mathilda fehlte jede Spur.
    Als hinter ihm Hufgetrappel ertönte, zuckte er zusammen. War dies das Ende? Hatte man ihn als einen derjenigen enttarnt, die bei Richards Entführung mitgewirkt hatten? Doch als er herumfuhr, sah er keine fränkischen Krieger auf sich zureiten, sondern Osmond.
    »Warum bist du immer noch hier?«, herrschte dieser ihn an.
    Gleiches könnte er auch ihn fragen. Dass Osmond zurückgekehrt war, war für ihn, dessen Gesicht man in Laon nur allzu gut kannte, ein ungleich größeres Risiko.
    »Ich kann ohne sie nicht gehen«, erklärte Arvid knapp.
    »Aber du setzt dein Leben aufs Spiel, wenn du dich hier herumtreibst!«
    »Sei’s

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