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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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konnte nicht länger in das Gesicht des Fremden schauen. Sie suchte wieder Pancras’ Blick, sah, dass er die Augen wieder offen hielt, aber immer noch betete, und sie ahnte – er tat es nicht für ihre toten Kinder, sondern für jenen Mann. Der hatte sie nicht vor diesen Unholden retten können, aber vor der trostlosen Gewissheit, dass die Welt durch und durch grausam war und es keine einzige gute Seele gab.
    Lange konnte Mathilda sich nicht entscheiden, wie sie ihr Kind besser schützte – indem sie sich im Kerker verkroch, sodass niemand ihren sicher bald wachsenden Leibesumfang bemerkte, oder indem sie vermeintliche Unterwerfung heuchelte, um freigelassen zu werden und sich stärken zu können.
    Da sie hungerte, wuchs jedoch nicht ihr Leib, sondern nur die Angst, ihr Kind sei bereits gestorben. Und wenn es noch lebte, ging ihr durch den Kopf, so wird es bald sterben, wenn sie hier weiter vor sich hin vegetierte.
    Es kam der Tag – ob nach Wochen oder Monaten in Haft, sie wusste es nicht –, da sie bereit war, alles zu versprechen: vollkommene Unterwerfung, absolute Treue, die Heirat mit jedem Mann. Mit der Kraft, die ihr blieb, schrie sie in den kalten Raum, dass sie tun würde, was immer Hawisa von ihr verlangte. Lange wähnte sie sich ungehört, doch plötzlich wurde die Tür geöffnet.
    Sie konnte das Gefängnis nicht auf eigenen Beinen verlassen. Sie gaben schon nach wenigen Schritten nach, und so wurde sie von einem fremden Mann hinaus und in Hawisas Unterkunft getragen. Das Tageslicht schmerzte in den Augen – wahrscheinlich waren sie rot und geschwollen –, das Haar hing ihr, strähnig und steif vom Meerwasser, das ständig auf sie getropft war, im Gesicht. In ihren Ohren dröhnte es immer noch.
    Sie musste einen grauenhaften Anblick bieten, doch Hawisa war dafür blind. Mathildas Nachgeben war offenbar mit einer Stunde zusammengefallen, da sie auch andere gute Nachrichten erhalten hatte.
    »Denk dir!«, rief sie triumphierend. »Turmod und Sedric sind in der Normandie zunächst zurückgeschlagen worden – von Hugo dem Großen, als der Bayeux belagerte. Aber Hugo hat jetzt das Land verlassen – und bald werden sie es erneut versuchen, diesmal mithilfe der Menschen aus dem Cotentin.«
    Mathilda verstand kein Wort, nickte aber dennoch, und das schien Hawisa zu genügen, um nach frischem Wasser zu verlangen – süßem, nicht dem salzigen des Meeres. Zwei Eimer wurden gebracht, außerdem Leinentücher, mit denen Hawisa eigenhändig Mathildas Haar wusch und ihren Körper abrieb, erst vorsichtig, dann so fest, dass er brannte. Vielleicht dachte sie, dass sie auf diese Weise nicht nur den Schmutz beseitigen konnte, sondern auch alle aufrührerischen Gedanken, die ihrem Plan zuwiderliefen.
    So groß die Wohltat war, von Salz und Schmutz befreit zu werden, ängstigte sich Mathilda doch, dass die Mutter die kleine Wölbung unter dem Bauchnabel erkennen würde. Hawisa war dafür aber ebenso blind wie für die vielen Blessuren ihrer Tochter und fuhr triumphierend fort: »Es geht auch das Gerücht, dass sich Harald, der Sohn des Königs von Dänemark, in den Streit um die Normandie einmischen und für Richard Partei ergreifen wird. Das kann unserer Sache nicht schaden. Unser Glück ist es, dass Harald Alanus Schiefbart mit Inbrunst hasst. Er wird die Bretagne nur allzu gern von jener frömmelnden Brut befreien – und dann wird man dich und Hasculf brauchen, um die Bevölkerung zu einen.«
    Immer noch begriff Mathilda nicht, wovon Hawisa redete, nur dass es lächerlich war, dass irgendjemand sie brauchen könnte, sie, die jetzt wieder halbwegs sauber war, aber immer noch nur ein zerfetztes Kleid besaß und so geschwächt war, dass sie sich kaum aufrecht halten konnte.
    Nun, Hawisa zog ihr eben ein frisches über, und sie reichte ihr auch in Wein getunktes Brot, damit sie sich stärken konnte. Aber die Bedenken, die Mathilda insgeheim hegte, wurden von anderen ausgesprochen – von jener Gruppe an Beratern, die Hawisa jetzt in den Raum bat.
    Mathilda musterte die Männer aufmerksam. Bruder Daniel war dabei, Hasculf und ein Mann, den man Dökkur nannte, der blind war und der Hawisa als Erster widersprach: »Du setzt zu sehr auf Turmods und Sedrics Unterstützung. Bedenke, sie sind keine Bretonen, sondern aus Irland gekommen. Wer weiß, ob sie auf unserer Seite stehen. Ganz zu schweigen von Harald. Was hast du ihm zu bieten?«
    Hawisa warf ihm einen vernichtenden Blick zu – offenbar hegte er nicht zum ersten

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