Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
kommenden Tag aufgespart, da sie und Werghaupt in der Kathedrale von Notre-Dame getraut werden würden.
    Mathildas Blick fiel auf Sprota, die am gleichen Tisch Platz genommen hatte wie Gerlocs Zofen und Werghaupts Gefolgsleute. Sie war nach Rouen mitgekommen, um in der Nähe ihres Sohnes zu bleiben, der diese Tage an der Seite seines Vaters erlebte, aber wie so oft wurde der Konkubine keinerlei Ehrerbietung zuteil. Sprota ließ sich die Demütigung, kaum besser als Dienstboten behandelt zu werden, nicht anmerken, sondern lächelte und nahm gleichmütig hin, dass Gerloc, obwohl eigentlich ihre Freundin, hochmütig über sie hinwegsah. Schon in den vergangenen Wochen hatte Mathilda den Eindruck gehabt, dass Gerloc die Konkubine des Bruders ungleich kühler behandelte als in den Jahren zuvor, da sie insbesondere an langen Winterabenden froh gewesen war, jemanden zum Schwatzen zu haben, und an den lichteren Sommertagen jemanden, der mit ihr zum Markt ging.
    Sprota blieb nicht lange auf dem Bankett, und auch Mathilda – deren Aufgewühltheit vom Lärm zwar etwas betäubt wurde, deren Trachten, vor sich selbst zu fliehen, aber weiterhin Unrast schürte – zog sich bald zurück.
    Bei der Trauung am nächsten Tag war Sprota gar nicht erst zugegen, und Mathilda fand in der Kathedrale nur ganz hinten Platz. Sie sah zwar die purpurrote Robe des Bischofs von Rouen, nicht aber Gerlocs Gesicht, als der Bund gesegnet wurde. Wieder jubelten danach die Menschen in den Straßen, doch sie wurden alsbald von den Glocken der Kirchen übertönt – von denen der Kathedrale, Saint-Étienne und Saint-Martin-du-Pont, und auch denen von Saint-Pierre, die außerhalb der Mauern gebaut worden war.
    So deutlich die Glocken bekundeten, dass diese Hochzeit eine gottgewollte und die Bewohner der Stadt Christen waren – bei der anschließenden Feier hätte man daran zweifeln können. Gerloc bemühte sich, ihr nordisches Erbe auszumerzen – viele Krieger Wilhelms hingegen taten das nicht und hielten an Bräuchen und Spielen fest, die in der nordischen Heimat üblich waren, nicht jedoch im Frankenreich.
    Anstelle des Joculators, der fränkische Helden besang, dichtete manch Skalde in der danisca lingua Verse auf das Brautpaar. Und anstatt sich an den üblichen Tänzen wie der Coraula zu erfreuen, suchten viele ein deftigeres Vergnügen – so in Form von Ringkämpfen, bei denen die Kontrahenten einander fast nackt gegenübertraten: Nur die Oberschenkel, die Taille und die Schultern wurden mit Lederriemen umwickelt, und es galt, diese Riemen beim Gegner zu fassen zu bekommen und ihn zu Boden zu werfen.
    Mathilda fand den Anblick von so viel Fleisch und so viel schweißglänzender Haut widerwärtig, und noch roher erschienen ihr die Duelle, bei denen zwei Gegner auf einer am Boden ausgebreiteten Rinderhaut standen, diese nicht verlassen durften und zusehen mussten, den jeweils anderen anzufallen wie ein wildes Tier und in den Adamsapfel zu beißen.
    Harmloser hingegen waren die Zerstreuungen jener, die einen Sieg anstrebten, der ohne körperliche Gewalt errungen wurde. Die einen spielten mit einer Art Ball – aus Haar und Fell gemacht, über das man ein Stück Leder gewunden hatte –, die anderen maßen sich im Wetttrinken, aus dem ein gewisser Einar als Sieger hervorging, der niemand anderer war als der Sohn von einem Bastardbruder Rollos und somit Vetter des Grafen. Er kippte ganze zwei Dutzend Hörner, randvoll mit Met gefüllt, in sich hinein. Mathilda mochte sich nicht recht vorstellen, wie lange sein Brummschädel schmerzen würde.
    Immer mehr Betrunkene sah man gegen Abend durch die Gassen der Stadt und die Räume der Burg wanken – und für einen nahm der leichtsinnige Genuss von zu viel Wein ein tödliches Ende: Er stolperte während des Pferdekampfes, bei dem die mit Hörnern bewaffneten Tiere mit Stachelstöcken aufeinandergehetzt wurden, und prompt zertrampelte ein Pferd seinen Schädel. Die anderen, die zusahen, waren ebenfalls schon zu betrunken, um in dem tödlichen Unfall etwas anderes zu sehen als einen Riesenspaß, und lachten laut. Erst später erkannten sie, dass die weiße, sämige Flüssigkeit, die sich um den Getöteten ausgebreitet hatte, nicht etwa Erbrochenes war, sondern Gehirnmasse.
    Mathilda war froh, von dieser Begebenheit später nur gehört zu haben. Es genügte ihr, dass die Männer der Hirth – Graf Wilhelms persönliche Garde – ihr anmaßende Blicke zuwarfen und manch einer die Hände nach ihr ausstreckte.

Weitere Kostenlose Bücher