Kinder des Feuers
alles andere: nicht Ohnmacht und Wut, sondern blindes Vergnügen am Kampf … Vergnügen und Lust und Gier. Nicht nur vom Kampf selbst gesät, sondern vom Wissen, dass er unterliegen würde, ihm folglich, wenn auch nicht die Macht, den anderen zu besiegen, so doch die Freiheit blieb, sich selbst zu zerstören.
Er war für sie ein Fremder. Das war nicht Arvid, der vor ihr wütete. Das war sein … verrückter Vater.
Ehe Johan auf ihn eindreschen konnte, eilten andere Krieger herbei und fielen ihm in den Arm. Er wehrte sich, doch gegen die Übermacht kam er nicht an – genauso wenig wie Arvid, der seinerseits gepackt wurde. Hurtig schaffte man die beiden Raufbolde aus dem Saal, mit ein paar Schmähungen, mit noch viel mehr Spott und ein paar wenigen nüchternen Stimmen, die mit Vernunft zu mäßigen versuchten.
»Ruiniert nicht Gerlocs schönsten Tag!«
Mathilda folgte ihnen nach draußen. Die Luft war kühler als drinnen, aber nicht kühl genug, die Streithähne zu beschwichtigen. Jener Fremde, der Arvids Vater war, hielt immer noch seinen Geist in Besitz. Und Johans vermeintliche Nachsicht war endgültig der Abscheu vor einem gewichen, der sich als Mann Gottes gab und doch wie alle anderen Männer war: grob, roh, besitzergreifend.
Gerade noch rechtzeitig ging Mathilda dazwischen, ehe sie erneut aufeinander losgehen konnten.
»Hört auf!«, schrie sie.
Gottlob ließen sie die Fäuste sinken.
Sie wandte sich an Johan, schlichtweg, weil sie besser ertrug, in sein Gesicht zu sehen, nicht in das fremde von Arvid.
»Lass ihn in Ruhe!«, rief sie.
»Du ergreifst für ihn Partei?«, fragte er empört.
»Ich stehe auf niemandes Seite, nur auf der der Friedfertigen, und hier sehe ich von diesen zu wenige. Tu mir und dir selbst den Gefallen und gib nach!«
»Und von ihm forderst du nichts?«
»Das werde ich, doch was ich zu sagen habe, betrifft nur ihn und mich. Lass uns allein, ich bitte dich.«
Er wirkte gekränkt, aber auch kleinlaut. »Schlimm genug, dass sich Graf Wilhelm mit Mönchen abgibt, warum zieht es auch eine hübsche junge Frau wie dich in ihre Nähe?«, murrte er, machte dann aber endlich einen Schritt zurück.
Mathilda ahnte, dass er wieder in den Saal lief, noch mehr trinken, schließlich einen anderen prügeln würde, der nicht so schnell zu Boden ging wie Arvid, und er diesem ernsthafte Blessuren zufügen würde. Doch das war seine Sache, nicht ihre.
Als er gegangen war, drehte sie sich zögernd zu Arvid um. Sein Anblick war nicht mehr fremd … nur erbärmlich. Kaum war Johan fort, schien er in sich zusammenzusacken. Er duckte sich, und da stand keine Wut mehr, kein Wahnsinn in seinen Zügen, nur Reue darüber, was er getan hat.
Mathilda öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Welchen Vorwurf hätte sie ihm schon machen können, der ihm nicht längst selbst durch den Kopf gegangen wäre?
Jener Kopf schien ihm zu zerplatzen, er rieb seine Schläfen, Blut tropfte von Nase und Mund, und er zitterte, weil er verspätet die Kälte spürte.
»Deine Wunden«, sagte sie und klang nicht mehr wütend, sondern einfach nur müde, »ich sollte deine Wunden versorgen …«
Während Mathilda ihn halb befremdet, halb vorwurfsvoll anblickte, fühlte Arvid, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Wie war er nur fähig gewesen, auf diesen Mann loszugehen? Warum war er überhaupt auf die Tanzfläche geeilt?
Jetzt war er zu keiner hastigen Regung mehr fähig, konnte nicht einmal seinen Kopf hochhalten, sondern ließ ihn ganz tief sinken. Mathilda hatte ihn in ein Gebäude in der Nähe der Stallungen gezogen, wo es nach Stroh und Pferden roch und große Fässer und Säcke übereinandergestapelt waren. Diese Kammer war kein Ort, um länger als notwendig zu verweilen – und dennoch rührte sie sich genauso wenig wie er, nachdem sie seine Wunden versorgt hatte.
»Das … das war nicht ich«, brachte er endlich hervor. »Das war eine fremde Macht in mir, die so wütete. Das war … er .«
Obwohl er sie nicht länger ansah, vermeinte er zu fühlen, wie sie nickte.
»Du meinst deinen Vater«, sagte sie leise.
»Ich habe ihn nie kennengelernt, aber trotzdem weiß ich, wie er war. Ich fühle es. Er war grausam und wahnsinnig. Vielleicht bin ich das auch.«
»Nun, immerhin weißt du seinen Namen. Ich kenne den meines Vaters nicht. Du weißt, was du von ihm geerbt hast und wogegen du dich zu wappnen hast. Ich weiß nur, dass mein Vater blondes Haar hat. So jener Mann, von dem ich so oft träume, überhaupt mein
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