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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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war, warum er über die Nachricht aus Rouen mit ihm sprechen wollte und mit keinem anderen.
    »Wer könnte es besser bezeugen als ich?«, fragte er nun. »Bereits kurz nach seiner Krönung hat er mir nach dem Leben getrachtet, obwohl ich kein ernsthafter Gegner war.«
    »Aber er hat es nicht wieder versucht.«
    »Weil er mich wahrscheinlich für tot hielt, da ich nicht nach Jumièges zurückkehrte – und seitdem sind so viele Jahre vergangen, dass er nicht mehr daran denkt. Das ändert nichts daran, dass er die Normandie für eine Provinz seines Reichs hält.«
    Der Abt blickte ihn nachdenklich an. »Aber sollte das wirklich unser Nachteil sein?«
    Kurz begriff Arvid nicht, was er meinte. In seinen letzten Wochen in Rouen war er stets von Menschen umgeben gewesen, denen Richards junges Alter große Angst machte und die um seine Herrschaft und die Zukunft der Normandie bangten.
    Doch Abt Martin schienen weder diese noch die des Knaben sonderlich am Herzen zu liegen, wie seine nächsten Worte offenbarten.
    »Ludwig ist ein Karolinger. Richard ist Rollos Enkelsohn«, sagte er kühl. »Und das Kloster von Jumièges ist unter Karolingern groß geworden, während es von den Nordmännern zerstört wurde.«
    Arvid war verwirrt. Es war schlüssig, was Abt Martin da sagte, und unverständlich, dass er es selbst nie gedacht hatte. Die Jahre in Wilhelms Nähe, so erkannte er plötzlich, hatten seinen Blick auf die Welt verändert und Männer zu Freunden werden lassen, die er früher noch als Feinde betrachtet hätte. Klare Grenzen waren zerflossen an dem Tag, da ein Verwandter wie Ludwig nach seinem Leben getrachtet und er bei einem Fremden wie Wilhelm Schutz gefunden hatte.
    »Nun«, erklärte Martin und legte die Schriftrolle zur Seite, »wir müssen versuchen, uns mit allen Seiten gut zu stellen. Ich werde weiterhin Kontakt mit Bernhard dem Dänen halten und ihm jede erdenkliche Hilfe zusichern, den Frieden zwischen der Normandie und dem Frankenreich zu wahren, aber zugleich werde ich Ludwig wissen lassen, dass wir im Fall des Falles darauf zählen, dass er Jumièges’ Wiederaufbau ebenso eifrig unterstützt wie einst unser Graf Wilhelm – Gott sei seiner Seele gnädig.«
    Arvid wandte sich ab. Er wollte nicht, dass Abt Martin ihm den tiefen Zweifel ansah, der ihn ob dieser berechnenden Worte befiel – Zweifel, dass einer wie er, der nicht klar auf der fränkischen Seite stand, hier eigentlich nichts verloren hatte. Aber auch Zweifel, dass er unter einem Abt wie diesem, eher Blatt im Wind als würdiger Anführer seiner Gemeinschaft, überhaupt hier leben und Gott dienen wollte.
    Gott sei auch meiner Seele gnädig, dachte er.
    Er schloss die Augen, dachte an Mathilda und hoffte inständig, dass ihr gleicher Zweifel erspart blieb.

 
    Hawisa umkrampfte ihr Thor-Amulett. Ihre Lippen bewegten sich, ohne dass sie Worte fand. Zum Christengott, dem sie lange abgeschworen hatte, konnte man beten, die heidnischen Götter hingegen wollten nicht, dass man mit ihnen sprach, sondern in ihrem Sinn handelte.
    Es blieb nicht viel Spielraum, zu handeln – nach Wilhelms Tod weniger als je zuvor. In ihrer ersten Freude darüber hatte sie nicht bedacht, welche Gefahren auf sie zukamen. Der Frankenkönig würde die Normandie besetzen, und wenn er es nicht tat, dann wohl Hugo der Große oder Arnulf von Flandern. Und zur Normandie gehörte das Cotentin, das nun ihr Stützpunkt war und wo sie sogar einige Verbündete gefunden hatten.
    »Und jetzt?«, fragte Bruder Daniel.
    »Und jetzt?«, fragte Dökkur.
    Beide waren ob all der Neuigkeiten so überdrüssig gestimmt, dass sie es nicht erbärmlich fanden, Fragen zu stellen, anstatt Schlüsse zu ziehen.
    Hawisa sagte nichts, aber deutete auf Hasculf, der eben fortfuhr.
    »Ich weiß nicht, was König Ludwig nun tun wird, von allen ist er am unberechenbarsten. Er scheint nicht bereit, Arnulfs gemeines Attentat zu rächen – gleichwohl er es zunächst noch behauptet hat. Arnulf seinerseits hat trotzdem Angst davor, und um den König gnädig zu stimmen, hat er ihm eine kostbare Vase aus massivem Gold geschenkt, ihn obendrein gebeten, Laon besuchen zu dürfen, und dort auf Knien beteuert, gar nicht schuld an Wilhelms Tod zu sein.«
    Hawisa schüttelte den Kopf. Menschen, die aus Rachsucht töteten, waren ihr lieber als solche, die aus Angst logen – und damit durchkamen.
    Aber so verhielt es sich nun mal mit der Wahrheit. Sie war nicht widerstandsfähig wie Fels, sondern formbar. Wenn man sie

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