Kinder des Holocaust
auf seiner anderen Seite saß. »Wieso kann er noch weitermachen?«
»Sie meinen, wegen seiner Krankheit?« fragte der Mann ziemlich verdutzt zurück. »Er hat die Lesungen schon vorher aufgezeichnet, lange vor seiner Erkrankung.«
»Krankheit«, wiederholte Bruno. »Verstehe.« Er hatte den Mann im Satelliten krank gemacht, und das war immerhin etwas, doch zuwenig. Es war nur ein Anfang. Stirb, dachte er zu dem Satelliten hoch am Himmel hinauf. Doch die Stimme redete unbeeinträchtigt weiter.
Hat er einen Abwehrschirm gegen mich aufgebaut? fragte sich Bruno. Haben die hier unten dich damit ausgestattet? Ich werde ihn zerschmettern. Offenbar bist du schon seit längerem darauf eingerichtet, dich meinem Angriff zu widersetzen, aber es wird dir so gut wie gar nichts nutzen. Da sei eine Wasserstoffbombe, dachte er«. Nah genug am Satelliten dieses Mannes soll sie explodieren, ihm die Möglichkeit nehmen, mir zu widerstehen. Er soll sterben und wissen, wer es ist, mit dem er sich angelegt hat. Bruno Bluthgeld konzentrierte sich mit aller Willenskraft, preßte die Hände zusammen, drückte seine Kräfte aus den Tiefen seines Innern hervor wie aus einer Tube.
Doch die Lesung ging weiter.
Du bist sehr stark, gestand Bruno zu. Er mußte den Mann aufrichtig bewundern. Tatsächlich lächelte er sogar ein wenig, als er an seine Stärke dachte. Eine ganze Anzahl von Wasserstoffbomben möge dort oben in seiner Nähe explodieren, gebot er. Sein Satellit soll ihm um die Ohren fliegen. Soll er die Wahrheit erkennen.
Die Stimme aus dem Lautsprecher verstummte.
Na, das war aber auch höchste Zeit, sagte sich Bruno. Er ließ in seiner Konzentration nach, vorerst vom Kräftezusammen ballen ab; er seufzte, schlug die Beine übereinander, strich sich übers Haar, um es zu glätten, sah den Mann zu seiner Linken an.
»Es ist vorbei«, bemerkte Bruno zu ihm.
»Ja«, sagte der Mann. »Tscha, jetzt wird er wahrscheinlich Nachrichten durchgeben – falls er sich wohl genug fühlt.«
»Aber er ist doch jetzt tot«, meinte Bruno erstaunt.
»Er kann nicht tot sein«, widersprach der Mann aufgebracht. »Ich glaub's nicht. Hören Sie auf ... Sie sind ja verrückt.«
»Es ist wahr«, beharrte Bruno. »Sein Satellit ist total vernichtet worden, nichts ist übriggeblieben.« Wußte der Mann das denn nicht? War die Neuigkeit noch nicht zur Welt vorgedrungen?
»Verflixt nochmal«, sagte der Mann. »Ich weiß nicht, wer Sie sind oder weshalb Sie solches Zeug daherquatschen, aber anscheinend sind Sie ein ganz übler Miesmacher. Warten Sie mal 'n Moment, dann können wir ihn wieder hören. Darauf würde ich sogar fünf Original-Metall-Cent der US-Regierung wetten.«
Das Radio blieb stumm. Überall im Saal fingen Leute sich zu regen an, angespanntes Gemurmel der Besorgnis breitete sich aus.
Ja, es hat wieder angefangen, sagte sich Bruno. Erst Explosionen in der Stratosphäre, genau wie damals. Und bald ... bald geht das gleich auf euch hier unten nieder. Die ganze Welt wird ausgelöscht, so wie damals, um dem ständigen Umsichgreifen von Grausamkeit und Rachsucht abermals Einhalt zu gebieten. Erneut muß etwas geschehen, bevor es zu spät ist. Er schaute hinüber zu dem Neger und lächelte. Der Neger tat so, als sähe er ihn nicht; er gab vor, mit dem Mann neben ihm in ein Gespräch verwickelt zu sein.
Du weißt Bescheid, dachte Bruno, ich seh es dir an. Mich kannst du nicht täuschen. Du weißt besser als jeder andere, was jetzt seinen Lauf nimmt.
Irgend etwas stimmt da nicht, dachte Dr. Stockstill. Warum macht Dangerfield nicht weiter? Kann er eine Embolie erlitten haben, oder dergleichen?
Und da bemerkte er das verzerrte Grinsen des Triumphs auf Bruno Bluthgelds zahnlosem Gesicht. Er führt das auf sich zurück, erkannte Stockstill sofort, er bildet sich ein, er habe das getan. Paranoide Wahnvorstellungen im Zusammenhang mit Omnipotenzbesessenheit. Er meint, alles was geschieht, fände nur durch ihn statt. Angewidert wandte er sich ab, rückte seinen Stuhl ein Stück weit zur Seite, so daß er Bluthgeld nicht länger im Blickfeld hatte.
Er schenkte seine Aufmerksamkeit dem jungen Schwarzen. Ja, dachte er, das könnte sehr wohl der farbige TV-Verkäufer sein, der damals, vor vielen Jahren, in Berkeley immer morgens das Rundfunk- und Fernsehfachgeschäft gegenüber von meiner Praxis zu öffnen pflegte. Ich glaube, ich gehe einfach mal hin und frage ihn.
Er stand auf und ging hinüber zu Andrew Gill und dem Farbigen. »Entschuldigen
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