Kinder des Holocaust
nicht?« fragte Hoppy übellaunig nach.
»Im Moment noch nicht«, antwortete Stroud. »Aber es wird noch mehr kommen.« Er warf den übrigen Mitgliedern der Abordnung einen hastigen, unsteten Blick zu. »Ihr eigentliches Präsent muß erst sorgfältig vorbereitet werden, Hoppy. Das hier ist nur der Anfang.«
»Verstehe«, sagte der Phokomelus. Allerdings klang seine Stimme, als wäre er keineswegs davon überzeugt.
»Ganz ehrlich, Hoppy«, versicherte Stroud, »es ist die Wahrheit.«
»Ich rauche nicht«, sagte Hoppy und betrachtete die Zigaretten; er nahm eine Handvoll und zerdrückte sie, ließ die Brocken und Krümel auf den Fußboden fallen. »Zigarettenrauchen ist krebserregend.«
»Nun ja«, begann Gill, »man kann natürlich alles von zwei Seiten sehen. Ich finde ...«
Der Phokomelus kicherte vor sich hin. »Ich habe das Gefühl, daß das alles ist, was Sie mir geben wollen«, sagte er.
»Nein, es kommt auf jeden Fall noch mehr«, sagte Stroud.
Abgesehen von den statischen Geräuschen, die aus dem Lautsprecher drangen, herrschte plötzlich Stille in Hoppy Harringtons Behausung.
Aus einer Ecke erhob sich ein Gegenstand – eine alte Senderöhre – und flog durch die Luft, zerschellte mit lautem Klirren an einer Wand und überschüttete alle Anwesenden mit einem Hagel winzigkleiner Glassplitter.
»Mehr«, äffte Hoppy die dunkle, kraftvolle Stimme Orion Strouds nach. »Es kommt auf jeden Fall noch mehr.«
15
Sechsunddreißig Stunden lang hatte Walt Dangerfield im Zustand halber Besinnungslosigkeit in seiner Koje gelegen, sich nun endgültig darüber im klaren, daß er durchaus nicht bloß an einem Magengeschwür litt; es war sein Herz, das nicht mehr richtig mitmachte, und wahrscheinlich mußte er binnen ziemlich kurzer Zeit daran sterben. Trotz all dessen, was Stockstill, der Psychoanalytiker da unten, dahergeredet hatte.
Durch den Sender des Satelliten war unterdessen von einem immer wieder von vorn abgespielten Band leichtere Konzertmusik ausgestrahlt worden; der besänftigende Klang von Streichinstrumenten betäubte ihm die Ohren mit einer Travestie unerschütterlichen Trostes. Er fand nicht einmal noch die Kraft, sich zu erheben, ans Kontrollpult zu gehen und das Band abzuschalten.
Dieser Psychoanalytiker, dachte er bitter. Erzählt mir, ich solle in eine Papiertüte pusten. Das war ja wie in einem bizarren Traum ... diese schwache Stimme, die so von Selbstsicherheit gestrotzt hat. Und ausgegangen ist er von nichts als völlig falschen Voraussetzungen.
Aus allen Teilen der Welt gingen Funksprüche ein, während der Satellit immer wieder von neuem seine Kreisbahn durchmaß; seine Aufnahmeanlagen empfingen sie und zeichneten sie auf, aber dabei blieb es. Zum Antworten war Dangerfield nicht mehr imstande.
Vermutlich muß ich es ihnen wohl sagen, überlegte er. Ich nehme an, meine Zeit – die Zeit des Abschieds, auf die wir alle gewartet haben – ist nun letzten Endes gekommen.
Auf Händen und Knien kroch er zu seinem Sitz und dem Mikrofon, dem Sitz, von dem aus er sieben Jahre lang für die gesamte Erde Sendungen zusammengestellt hatte. Nachdem er sich für geraume Weile an seinem Platz ausgeruht hatte, schaltete er einen der vielen Rekorder ein, nahm das Mikrofon zur Hand und begann eine Bekanntgabe zu diktieren, die nach ihrer Fertigstellung immer wieder – statt der Konzertmusik – abgespielt werden sollte.
»Meine lieben Freunde, hier spricht Walt Dangerfield. Heute möchte ich euch für die lange, schöne Zeit danken, die wir miteinander hatten, in der ich zu euch und in der viele von euch zu mir gesprochen haben. Leider machen die krankheitsbedingten Beschwerden, unter denen ich zu leiden habe, es mir unmöglich, den Sendebetrieb noch länger aufrechtzuerhalten. Zu meinem größten Bedauern muß ich deshalb heute zum letztenmal ...« In diesem Stil redete er weiter; selbst voller Kummer, wählte er seine Formulierungen mit Sorgfalt, darauf bedacht, seine Zuhörerschaft drunten auf der Erde so wenig traurig wie möglich zu machen. Doch nichtsdestotrotz sagte er ihr die Wahrheit; er teilte ihr mit, daß er dem Ende nahe war, daß sie nunmehr irgendwelche Mittel und Wege finden mußten, um die Kommunikation ohne ihn zu gewährleisten; dann sagte er Lebewohl, schaltete das Mikrofon ab und ließ – lasch und rein gewohnheitsmäßig – das Band zurücklaufen.
Das Band war leer. Nichts befand sich darauf, obwohl er beinahe fünfzehn Minuten lang gesprochen hatte.
Anscheinend
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