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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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nicht alles völlig in der Hand«, sagte Bonny nachdenklich. »Mit einigen Schaltungen kommt er wohl noch nicht zurecht.«
    Das Sinfonieorchester verstummte. Wieder herrschte für einige Augenblicke Stille, dann drang irgend etwas, das mit falscher Geschwindigkeit lief, aus dem Lautsprecher; es zwitscherte rasend schnell und verstummte dann wie abgehackt. Wider Willen lächelte Bonny. Endlich ertönte verspätet das Geklimper eines fünfsaitigen Banjos.

    »Schwer ist's Leben auf 'm Land, draußen auf Pennys Farm ...«

    Ein volkstümlicher Tenor sang zum Banjo mit leichtem Gequäke. Die Leute im Zimmer saßen aus langer Gewohnheit da und lauschten; aus dem Radio kam Musik, und seit sieben Jahren verließen sie sich darauf, daß irgendwelche Sendungen kamen; diese Erwartung hatte sich ihnen eingefleischt, und ihre Reaktion, ihr Zuhören auf jeden Fall, war zu einem Bestandteil ihres realen Daseins geworden. Und doch spürte Bonny deutlich ringsherum Scham und Verzweiflung. Niemand in dem Zimmer verstand in vollem Umfang, was sich ereignet hatte; sie selbst fühlte sich noch entgeistert und verwirrt. Sie hatten Dangerfield wieder und hatten ihn doch nicht; was das Äußere betraf, sein gewohntes Auftreten, war er wieder da, doch war auch sein eigentliches Wesen ihnen erhalten geblieben? Dieser Abklatsch Dangerfields wirkte eher wie eine krampfhaft bemühte Erscheinung, ein Gespenst; er machte keinen lebendigen Eindruck mehr, nur einen Eindruck von Untotheit. Er handelte, aber in einem Zustand von Hohlheit und Seelenlosigkeit. Er zeichnete sich durch eine irgendwie erstarrte Eigentümlichkeit aus, als hätten Kälte und Einsamkeit gemeinsam rings um den Mann im Satelliten auf irgendeine Art und Weise eine neue Hülle gebildet. Eine Umhüllung, die das lebende Wesen umschloß und erstickte.
    Das Hinmorden, die langsame Vernichtung Dangerfields, überlegte Bonny, muß auf Vorsatz beruht haben, und sie ist ... sie ist nicht vom Weltraum ausgegangen, nicht von draußen, sondern von hier unten, von einer wohlbekannten Gegend. Dangerfield ist nicht infolge der jahrelangen Isolation dahingesiecht, er ist allmählich durch irgendwelche Mittel zugrundegerichtet worden, die ihm jemand von der Welt hinaufschickte, mit der den Kontakt aufrechtzuerhalten er sich ständig abgemüht hat. Wäre es ihm möglich gewesen, die Verbindung zu uns völlig zu unterbrechen, könnte er noch leben. Während all der Momente, in denen er uns empfangen, und zugehört hat, ist auf seinen Tod hingewirkt worden, ohne daß er es geahnt hätte.
    Möglicherweise ahnt er, falls er noch lebt, nicht einmal jetzt etwas, dachte sie sich. Wahrscheinlich ist er, falls er von alldem etwas mitbekommt, noch in gewissem Umfang bei klarem Bewußtsein ist, vollkommen außer sich vor Staunen.
    »Das ist ja gräßlich«, sagte Gill in ausdruckslosem Ton.
    »Gräßlich, ja«, stimmte Bonny zu. »Aber es war wohl unvermeidlich. Er war dort oben einfach viel zu exponiert. Wär's jetzt nicht Hoppy, irgendwann hätte ein anderer das gleiche getan.«
    »Was sollen wir machen?« fragte Mr. Hardy. »Wenn Sie tatsächlich davon überzeugt sind, daß es sich so verhält, wie Sie sagen, dann müssen wir ...«
    »Oh, wir sind uns völlig sicher«, sagte Bonny. »Kein Zweifel möglich. Sie meinen, wir sollten noch einmal eine Abordnung zusammenstellen und zu Hoppy schicken? Ihn bitten, damit aufzuhören? Ich frage mich, was er auf so ein Gesuch wohl antworten würde.« Ich frage mich sogar, dachte sie, ob wir überhaupt bloß in Sichtweite seines trauten kleinen Häuschens gelangen könnten, bevor er uns abmurkst. Vielleicht sind wir ihm sogar augenblicklich, hier in diesem Raum, viel zu nah.
    Für nichts in der Welt, nahm sie sich vor, werde ich mich noch einmal in seine Nähe begeben. Ich glaube, ich werde sogar noch weiter auf Distanz gehen. Ich werde Gill dazu überreden, mit mir zu kommen, und wenn Gill nicht möchte, dann Stuart, und wenn nicht Stuart, dann eben sonst irgendwen. Ich werde ständig unterwegs sein, nie länger an einem Ort bleiben, dann bin ich vielleicht vor Hoppy sicher. Alle anderen sind mir jetzt gleich, ich fürchte mich viel zu sehr, ich kann mich nur um mich selbst kümmern.
    »Hör zu, Andy«, sagte sie zu Gill. »Ich möchte fort.«
    »Aus Berkeley, meinst du?«
    »Ja.« Sie nickte. »An der Küste entlang nach Los Angeles. Wir können's schaffen, da bin ich sicher. Wenn wir erst einmal dort sind, dürfen wir uns sicher fühlen. Das weiß ich

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