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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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aufwärts, trieb dann
    aus eigener Kraft wohlgelaunt ein Stück weit dahin, dann leitete er einen Sturzflug ein. Hinab und immer weiter hinab schwang er sich, und erst knapp über der Erdoberfläche wandte er sich seitwärts, bis er, angezogen von dem Lebewesen im Innern, über Hoppy Harringtons Haus und Antennenmast in der Schwebe hing.
    »Das ist die Weise, wie Gott uns sehen lehrt!« brüllte er mit seiner schwächlichen, unzulänglichen Stimme. »Nun sehen wir, daß es an der Zeit ist, mit den Atomversuchen in der Stratosphäre Schluß zu machen. Es ist mein Wunsch, daß alle Gläubigen hier entsprechende Briefe an Präsident Johnson schreiben!« Wer Präsident Johnson war, das wußte er nicht. Vielleicht ein noch Lebender. Er schaute sich nach allen Seiten um, in der Hoffnung, ihn vielleicht sehen zu können, aber er war nicht zu sehen; er erblickte nur Eichenwälder voller Tiere, er sah einen Vogel mit großem Schnabel und lautlosen Schwingen nähergleiten und ihn aus starren Augen anglotzen. Bill kreischte furchtsam auf, als der in Braun gefiederte Vogel geräuschlos einschwenkte und heranstürzte.
    Der Vogel stieß einen greulichen Laut aus, der Gier und das Verlangen bezeugte, Fleisch zu reißen.
    »Ihr alle, liebe Brüder und Schwestern in Christo«, heulte Bill, während er durch die finstere, kalte Luft floh, »müßt Briefe an den Präsidenten schreiben und protestieren!«
    Die leuchtenstarken Augen des Vogels folgten ihm, das Tier segelte im Mondschein über die Baumwipfel auf ihn zu.
    Die Eule holte ihn ein. Und verschlang ihn mit dem ersten Zuschnappen.

    16

    Von neuem befand er sich in einem Innen. Er konnte nicht mehr sehen und nicht hören; für kurze Zeit war er zu beidem imstande gewesen, doch es war wieder aus damit.
    Die Eule gab einen Ruf von sich und flog weiter.
    »Kannst du mich hören?« wandte sich Bill Keller an die Eule.
    Vielleicht konnte sie es, vielleicht nicht; sie war lediglich eine Eule, sie hatten keinen Verstand, anders als Edie. In der Eule war es anders als in seiner Schwester. Kann ich in deinem Innern leben? richtete er eine stumme Frage an die Eule. Wie in einem Versteck, das niemand kennt ...? Du hast deine Flüge durchzuführen, deine Jagden. Außer ihm staken die verstümmelten Leiber einer toten Maus und irgendeines anderes Tiers, das noch zuckte und kratzte, groß genug war, um nach wie vor um sein Leben zu ringen, im Körper der Eule.
    Tiefer, flüsterte er der Eule ein. Nun sah er durch die Augen der Eule die Eichen; er konnte die Dinge ganz klar und deutlich erkennen, so als wäre alles von Licht durchflutet. Drunten lagen Millionen von reglosen Gebilden, doch auf einmal erspähte er etwas, das sich bewegte, das lebte, und wandte sich in dessen Richtung. Das Tier, das da unten einherkroch, hörte die Eule nicht, ahnte nichts, strebte weiter hinaus auf eine Lichtung. Einen Augenblick später war es bereits verschluckt worden. Die Eule flog weiter.
    Gut, dachte Bill. Kommt noch mehr in der Art? So geht es die ganze Nacht, immer wieder und wieder, und wenn es regnet, kann man ein Bad nehmen, und dann kann man lange, lange schlafen. Ist der Schlaf das schönste dieses Lebens? Ja, tatsächlich.
    »Fergesson gestattet seinem Personal keinen Alkohol«, rief er. »Alkohol verstößt gegen seinen Glauben, habe ich recht, Stuart?« Und dann: »Hoppy, woher kommt das Licht? Kommt's von Gott? Du weißt, so wie's in der Bibel steht. Ich meine, ist es wahr?«
    Die Eule schrie.
    »Hoppy«, rief er aus dem Innern der Eule, »das letzte Mal hast du gesagt, alles sei finster. Stimmt's? Ohne jedes Licht?«
    Tausend Tote fern im Hintergrund seines Bewußtseins jammerten um Beachtung. Er lauschte, wiederholte, traf seine Auswahl.
    »Du dreckige kleine Mißgeburt«, schnauzte er. »Hergehört. Wir sind hier unterhalb der Straßenhöhe. Bleiben Sie hier, Sie Schwachkopf. Schwachkopf, Schwachkopf. Ich gehe hinauf und hole die Leute runter. Die Leute. Machen Sie hier inzwischen Platz, so gut es sich einrichten läßt, schaffen Sie Platz für die Leute. Platz für die Leute.«
    Aufgebracht flatterte die Eule, stieg höher, darum bemüht, sich ihm zu entziehen. Aber er setzte sein Lauschen, sein Suchen und Auswählen fort.
    »Bleiben Sie hier«, wiederholte er. Die Lichter von Hoppys Haus gerieten wieder in sein Blickfeld; die Eule hatte einen Kreis durchflogen und war zu dem Haus zurückgekehrt, nicht dazu in der Lage, sich zu widersetzen. Sie blieb, wo er sie haben wollte. Er brachte sie

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