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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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zu entstehen, zu ihm aufzusteigen statt ihn einfach oben zu erreichen. Am liebsten hätte er gelacht.

    Als der Angriff begann, war Jim Fergesson gerade in die Reparaturabteilung seines TV modern hinuntergegangen. Er stand vor Hoppy Harrington und sah den Ausdruck auf dem Gesicht des Phokomelus, als man über den UKW-Rundfunk die höchste Alarmstufe gab und mit sofortiger Wirkung die Notstandsge setze in Kraft traten. Er sah das hagere, knochige Gesicht sich zu einem Grinsen verziehen, das einer Fratze der Begierde glich, als verstünde er bereits etliche für andere noch unabsehbare Weiterungen dessen, was jetzt geschah. Freude erfüllte Hoppy, die purer Lebensfreude nahekam. Für einen Augenblick war er so weit aufgelebt wie möglich, hatte er alles abgeschüttelt, was ihn hemmte oder an der Erdoberfläche festhielt, alle Einflüsse, die ihn zur Langsamkeit verurteilten. Seine Augen leuchteten, seine Lippen zuckten; es schien, als strecke er die Zunge heraus, um Fergesson zu verhöhnen.
    »Du dreckige kleine Mißgeburt«, sagte Fergesson zu ihm.
    »Das Ende ist da!« schrie der Phoko. Jener befremdliche Ausdruck war bereits von seinem Gesicht gewichen. Vielleicht hatte er Fergessons Äußerung nicht einmal gehört; er schien sich in so etwas wie einem Zustand von Selbstversunkenheit zu befinden. Er zitterte, und die künstlichen Greifarme, die über den Rand seines Karrens hinausragten, schlotterten und schnellten umher wie Peitschen.
    »Hergehört«, sagte Fergesson und packte Bob Rubenstein, einen der Fernsehtechniker. »Wir sind hier unterhalb der Straßenhöhe. »Bleiben Sie hier, Sie Schwachkopf. Ich gehe hinauf und hole die Leute runter. Machen Sie hier inzwischen Platz, so gut es sich einrichten läßt, schaffen Sie Platz für die Leute.« Er ließ den Techniker los und lief zur Treppe.
    Während er die Treppe emporstürmte, jeweils zwei Stufen auf einmal nahm, das Treppengeländer in festem Zugreifen als Stütze benutzte, stieß seinen Beinen etwas zu. Seine untere Hälfte löste sich von ihm, und er sackte hintenüber, rutschte zurück nach unten; und unterdessen prasselte weißer Putz, scheinbar tonnenweise, auf ihn herab. Sein Kopf prallte auf den Betonboden, und er begriff, daß es das Haus erwischt hatte, es dahin war, und mit ihm die Menschen. Auch er war verletzt, in zwei Stücke gerissen, nur Hoppy Harrington und Bob Rubenstein würden überleben, und vielleicht nicht einmal sie.
    Er versuchte zu sprechen, konnte es jedoch nicht. Hoppy, der noch an der Werkbank saß, spürte die Erschütterung und sah, wie der Eingang zum Keller sich mit Bruchstücken der Decke füllte und das Holz der Treppe in lose Trümmer zerfiel, und zwischen dem zerborstenen Holz waren Brocken von weichem Fleisch zu erkennen; falls sie von Fergesson stammten, mußte er tot sein. Die Mauern bebten, dumpfes Dröhnen durchlief sie, als würden überall schwere Türen wuchtig zugeschlagen. Wir werden verschüttet, schlußfolgerte Hoppy. Die Leuchtröhren unter der Kellerdecke erloschen, und er konnte nichts mehr sehen. Schwärze. Bob Rubenstein jammerte vor sich hin.
    Der Phoko rollte seinen Wagen nach hinten, in die schwarze Weite der Kellerräumlichkeiten, tastete sich mit seinen Greifarmen vorwärts. Er suchte sich einen Weg zwischen den gelagerten Waren, den großen Fernsehapparaten in ihren Pappkartons; er entfernte sich so weit wie möglich, ging langsam und umsichtig auf den größten Abstand vom Kellereingang. Nichts fiel ihm auf den Kopf. Fergesson hatte recht gehabt. Hier unterhalb der Straßenhöhe war man in Sicherheit. Droben gab es nur noch einen Mischmasch von Fleischbrocken und dem weißen, trockenen Staub, aus dem vorher das Haus bestanden hatte, aber hier unten verhielt es sich anders.
    Die Frist war zu kurz, dachte er. Man hat uns gewarnt, und da war es auch schon soweit. Und es ist noch dran. Er spürte, wie droben der Sturm über die Erdoberfläche einherzurauschen begann; er wehte ungehindert, denn alles, was ihm hätte im Weg stehen können, war bereits eingeebnet. Wir dürfen nachher nicht gleich nach oben gehen, dachte er. Wegen der Strahlung. Das war der Fehler, den die Japse gemacht haben. Sie stiegen anschließend sofort ins Freie und lächelten wieder.
    Wie lange werde ich hier unter der Erde aushalten müssen? fragte er sich. Einen Monat. Kein Wasser da, es sei denn, es fließt etwas aus einer gebrochenen Wasserleitung zu. Nach einiger Zeit wird auch keine Luft zum Atmen mehr da sein, falls nicht

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