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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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genug durch den Schutt hereinsickert. Aber Hierbleiben ist auf jeden Fall besser als Hinausgehen. Ich werde nicht zu früh nach draußen gehen, nahm er sich vor. Ich weiß es besser. Ich bin nicht so stumpfsinnig wie andere. Nun hörte er nichts mehr. Keine weiteren Erschütterungen fanden statt; ringsum in der Finsternis krachte nichts mehr herab, von Stapeln und aus Regalen hatten alle möglichen kleinen Gegenstände zu fallen aufgehört. Stille herrschte. Nicht einmal von Bob Rubenstein ließ sich noch etwas vernehmen. Streichhölzer. Hoppy hatte in der Tasche Streichhölzer; nun holte er sie heraus, zündete eines an; er sah, daß eine Anzahl von TV-Pappkartons umgekippt und um ihn so etwas wie einen Wall angehäuft hatten. Er war allein, in einem Hohlraum ganz für sich allein. Menschenskind, dachte er in freudiger Erregung. Habe ich ein Glück. Das ist wie für mich geschaffen. Hier kann ich lange bleiben. Tag um Tag kann ich hier abwarten und zu guter Letzt quicklebendig wieder zum Vorschein kommen. Ich weiß, ich sollte überleben. Fergesson dagegen mußte an Ort und Stelle sterben. Das beruht alles auf dem Willen Gottes. Gott weiß genau, was er macht. Er sieht alles und hat in allem seine Hand, er überläßt nichts dem Zufall. All dies ist eine allgemeine Großreinigung der ganzen Welt. Es muß Platz geschaffen werden, neuer Lebensraum für andere Menschen muß her, zum Beispiel für mich.
    Er löschte das Streichholz, und von neuem umhüllte ihn Finsternis; er hatte nichts dagegen. Das ist meine Chance, dachte er, während er mitten auf seinem Karren saß und wartete. Sie ist mir mit Vorsehung gegeben worden. Wenn ich wieder draußen bin, wird alles anders sein. Von Anfang an hat die Bestimmung auf diesen Tag hingearbeitet, schon vor meiner Geburt. Jetzt verstehe ich alles, mir ist nun klar, weshalb ich so anders geworden bin als die anderen. Jetzt ersah er den Grund.
    Wieviel Zeit ist nun wohl verstrichen? fragte er sich irgendwann später. Er hatte ungeduldig zu werden begonnen. Eine Stunde? Ich kann das Warten nicht aushalten, gestand er sich ein. Ich meine, ich muß warten, aber es wäre mit lieber, es ginge alles etwas schneller. Er lauschte auf etwaige Geräusche von Leuten, die sich oben betätigen, Suchmannschaften des Heeres, die sich ans Ausgraben der Menschen begaben; aber noch tat sich nichts, nichts rührte sich. Ich hoffe, es dauert nicht zu lang, dachte er. Ich habe viel zu tun. Viel Arbeit liegt vor mir.
    Wenn ich hier raus bin, muß ich mich sofort an meine Aufgaben machen, ans Organisieren, denn das ist es, was als nächstes dringend nötig ist: Organisation und Anleitung. Alle werden sinnlos durcheinanderwimmeln. Vielleicht kann ich jetzt schon Pläne schmieden.
    Inmitten der Dunkelheit konzipierte er seine Pläne. Alle Arten von Einfällen kamen ihm; er verschwendete keine Zeit, er blieb nicht untätig, bloß weil er hier sitzen und abwarten mußte. In seinem Kopf jagte ein origineller, wirklich guter Gedanke den anderen; während er überlegte, konnte er das Warten kaum noch ertragen, und er malte sich aus, wie sich seine Ideen wohl bewähren würden, wenn man sie in die Tat umsetzte. Die meisten davon hatten mit den Möglichkeiten des Überlebens zu tun. Niemand sollte mehr von einer großen Gesellschaft abhängig sein; alles von kleinen Ortschaften und Individualität geprägt ein, so wie man es in den Büchern von Selma Lagerlöff lesen konnte. Das Ende aller Angepaßtheit hatte damit einherzugehen, der geistigen Vermassung und des billigen Schunds; des massenweise in Fabriken hergestellten Schrotts, solchem wie den 3D-Farbfernsehgeräten in den Pappkartons, die ringsum über ihn geschichtet lagen.
    Sein Herz klopfte aus froher Erwartung und Ungeduld heftiger; er vermochte das Warten kaum noch auszuhalten, er hatte das Gefühl, schon eine Million Jahre lang zu warten. Und noch immer hatte man ihn nicht gefunden, obwohl man schon mit Nachdruck die Suche begonnen hatte. Er wußte es; er konnte spüren, wie sie arbeiteten, sich ihm näherten.
    »Schnell!« schrie er laut und fuchtelte mit seinen Greifarmen; die Greifer scharrten über die Pappkartons, riefen ein dumpfes Geräusch hervor. In seiner Ungeduld fing er an, auf die Kartons einzuschlagen. Sein Gehämmer durchdrang die Dunkelheit, füllte sie aus, als säßen hier zahlreiche lebende Wesen fest, ein ganzer Haufen Menschen, nicht nur Hoppy Harrington allein.
    In ihrem an einem Hang gelegenen Haus im Landkreis West Marin merkte

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