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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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davon und hüpfte in Sicherheit. Stuarts Aufmerksamkeit wandte sich vom Schachbrett der Ratte zu, und er blickte sich nach seinem Besenstiel um.
    »Spielen Sie«, sagte Ken verärgert.
    »Ja, ja«, sagte Stuart mürrisch und voller Mißmut. Gleichgültig machte er aufs Gratewohl einen Zug, seine Aufmerksamkeit unvermindert der Ratte gewidmet.

    7

    Eldon Blaine stand des Morgens um neun Uhr in Point Reyes Station vor der Apotheke und wartete. Unterm Arm hielt er fest seine verschlissene Aktenmappe, zusammengebunden mit Schnur. Unterdessen löste im Innern des Gebäudes der Apotheker Ketten und plagte sich mit den Metalltüren ab; Eldon lauschte den Geräuschen und empfand Ungeduld.
    »Einen Moment«, rief der Apotheker; seine Stimme klang dumpf. Er entschuldigte sich, als es ihm endlich gelungen war, die Türen zu öffnen. »Das hier war früher mal das Heck eines Lieferwagens. Man muß sich mit Händen und Füßen ins Zeug legen, um sie aufmachen zu können. Kommen Sie rein, Mister.« Er stemmte einen hohen Türflügel zur Seite, und Eldon erhielt Einblick ins dunkle Innere der Apotheke; eine Glühbirne, die nicht brannte, hing an einem alten Kabel unter der Decke.
    »Was ich suche«, sagte Eldon ziemlich schnell, »Ist ein breitspektrales Antibiotikum, eines der Art, die gegen Infektionen der Atemwege hilft.« Er sorgte dafür, daß seine Stimme völlig sachlich klang; er verriet dem Apotheker nicht, wie viele Ortschaften im nördlichen Kalifornien er in den letzten Tagen aufgesucht hatte – zu Fuß und per Anhalter –, und ebensowenig erwähnte er die Schwere der Erkrankung, an der seine Tochter litt. Er wußte, damit hätte er nur den Preis in die Höhe getrieben. Und er sah hier sowieso wenig auf Lager. Wahrscheinlich hatte der Mann nicht, was er brauchte.
    »Ich kann nicht sehen, daß Sie irgend was dabei hätten«, sagte der Apotheker, indem er ihn musterte. »Was könnten Sie für den Fall, daß ich habe, was Sie suchen, als Gegenleistung bieten?« Mit einer nervösen Gebärde strich er sich das in Ausdünnung begriffene, graue Haar nach hinten; er war ein älterer, kleinwüchsiger Mann, und eindeutig verdächtigte er Eldon, ein Spitzbube zu sein. Vermutlich hatte er jeden in diesem Verdacht.
    »Dort wo ich herkomme, nennt man mich den Brillenmann«, sagte Eldon. Er öffnete den Reißverschluß seiner Aktenmappe und zeigte dem Apotheker die ordentlich auf gereihten unbeschädigten und fast unbeschädigten Brillengestelle und Brillengläser, zusammengesucht aus der gesamten Umgebung der Bucht, besonders den großen Warenlagern bei Oakland. »Ich kann so gut wie jede Fehlsichtigkeit ausgleichen«, sagte er. »Ich habe ein hervorragendes Sortiment. Was ist's bei Ihnen, Weit- oder Kurz- oder Stabsichtigkeit? Das ist in zehn Minuten behoben, indem ich ein bis zwei Gläser auswechsele.«
    »Weitsichtigkeit«, sagte der Apotheker gedehnt. »Aber ich glaube, ich habe nicht, wohinter Sie her sind.« Er betrachtete die Reihen von Brillengläsern mit merklichem Verlangen.
    »Warum haben Sie das nicht sofort gesagt, damit ich weiter kann?« meinte Eldon erbost. »Ich will heute noch nach Petaluma, dort hat's eine ganze Anzahl von Drugstores – ich muß nur 'n Heuwagen erwischen, der mich mitnimmt.«
    »Könnten Sie nicht eine Brille gegen irgend etwas anderes eintauschen?« erkundigte der Apotheker sich flehentlich und folgte ihm, als er Anstalten zum Gehen machte. »Ich habe ein wertvolles Herzmittel, Chininglukonat, das können Sie höchstwahrscheinlich gegen das eintauschen, was Sie suchen. Außer mir hat im ganzen Landkreis West Marin kein Mensch Chininglukonat.«
    »Gibt es hier in der Gegend einen Arzt?« wollte Eldon wissen, indem er am Rande der von Unkraut bewucherten Landstraße mit ihrer Ansammlung von Häusern und Läden stehenblieb.
    »Ja«, antwortete der Apotheker und nickte mit sichtlichem Stolz. »Dr. Stockstill. Er ist vor ein paar Jahren zugezogen. Aber Medikamente hat er keine. Nur ich habe welche.«

    Die Aktenmappe unterm Arm, marschierte Eldon Blaine die Landstraße entlang, lauschte hoffnungsvoll auf das Gespotze im Motor eines Holzvergaser-Lasters, das die Stille der frühmorgendlichen kalifornischen Landschaft durchdrang. Aber die Geräusche entfernten sich. Bedauerlicherweise fuhr der Laster in die andere Richtung.
    Diese Gegend unmittelbar nördlich von San Franzisko hatte früher einigen wenigen Milchviehzüchtern gehört; damals pflegten hier Kühe zu weiden; aber das alles war vorbei,

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