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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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werden, wie Luther Burbank. Auf dem Land müssen inzwischen Millionen verschiedene Arten von mutierten Pflanzen wachsen, so ähnlich wie es hier in der Stadt alle möglichen freakigen Leute und abgewandelte Tiere gibt.«
    »Vielleicht entdecken Sie eine intelligente Kletterbohne«, sagte Hardy.
    »Ich spreche völlig im Ernst«, erwiderte Stuart gelassen.
    Sie sahen einander an und schwiegen.
    »Es ist ein Dienst an der Menschheit, homöostatische Schädlingsfallen herzustellen, die zur Ausmerzung mutierter Katzen, Hunde, Ratten und Eichhörnchen beitragen«, sagte Hardy zu guter Letzt. »Ich finde, Sie verhalten sich kindisch. Weil man Ihnen das Pferd aufgefressen hat, während Sie drüben im Süden von San Franzisko waren, sind Sie vielleicht...«
    Ella Hardy kam herein. »Das Essen ist fertig, und ich möchte es auftragen, solang's noch warm ist«, sagte sie. »Es gibt gebakkenen Fischkopf vom Kabeljau mit Reis, und für den Fischkopf habe ich drunten am Eastshore Freeway drei Stunden lang anstehen müssen.«
    Die zwei Männer standen auf. »Essen Sie mit uns?« erkundigte Hardy sich nochmals bei Stuart.
    Beim Gedanken an gebackenen Fischkopf bekam Stuart gehörigen Appetit. Er vermochte nicht zu widerstehen und nickte, folgte Mrs. Hardy in die kleine Wohnküche an der Rückseite des Hauses. Einen Monat war es bereits her, daß er das letzte Mal Fisch gegessen hatte; in der Bucht waren fast keine mehr übrig, die meisten Schwärme waren ausgerottet, und es kamen keine neuen. Und die Fische, die man heute noch fing, waren häufig radioaktiv. Doch das spielte keine Rolle; die Leute hatten es sich angewöhnt, sie trotzdem zu essen. Die Menschen konnten so gut wie alles essen; ihr Leben hing davon ab.
    Das kleine Mädchen der Kellers saß auf dem Untersuchungstisch und zitterte, und während Dr. Stockstill den mageren, bleichen Körper in Begutachtung nahm, dachte er an einen Gag, den er vor Jahren, lange vor dem Krieg, einmal im Fernsehen gesehen hatte. Ein spanischer Bauchredner hatte durch ein Huhn gesprochen; das Huhn hatte ein Ei gelegt gehabt.
    »Mein Sohn ...!« hatte das Huhn zu dem Ei gesagt. »Bist du sicher?« fragte der Bauchredner. »Kann es nicht eine Tochter sein?«
    »Ich verstehe mich auf meine Sache«, hatte das Huhn selbstbewußt entgegnet.
    Das Kind war Bonny Kellers Tochter. Aber George Kellers Tochter ist es nicht, dachte Dr. Stockstill. Ich bin ganz sicher. Ich verstehe mich auf meine Sache. Mit wem kann Bonny vor sieben Jahren wohl ein Verhältnis gehabt haben? Die Zeugung mußte irgendwann dicht um den Tag X erfolgt sein, auf keinen Fall jedoch vor dem Kriegsausbruch; soviel stand fest. Vielleicht war es genau an dem Tag selbst, überlegte er. Das sähe Bonny ähnlich, an so einem Tag einfach hinauszurennen, während es Atomsprengköpfe hagelt und die Welt untergeht, und sich ebenso flüchtig wie wild mit irgendeinem Mann in gemeinsame Lust zu stürzen, mit irgendwem womöglich, den sie gar nicht kannte, dem ersten Mann, der ihr über den Weg gelaufen ist ... Und nun das.
    Das Kind lächelte ihn an, und er erwiderte das Lächeln. Bei oberflächlicher Betrachtung wirkte Edie Keller völlig normal; sie schien kein irgendwie in Mitleidenschaft gezogenes Kind zu sein. Gottverdammt! Wie sehr er sich wünschte, einen Röntgenapparat zu haben. Denn er hatte den Eindruck ...
    »Erzähl mir mal ein bißchen mehr über deinen Bruder«, sagte er.
    »Naja«, sagte Edie Keller mit ihrer sanften, schwachen Stimme, »ich spreche immer mit meinem Bruder, und ab zu antwortet er auch, aber meistens schläft er. Er schläft beinahe die ganze Zeit.«
    »Schläft er auch jetzt in diesem Moment?«
    Das Kind schwieg einen Augenblick lang. »Nein, er ist
    wach.« Dr. Stockstill erhob sich und trat näher. »Bitte zeig mir doch einmal ganz genau, wo er ist.«
    Das Kind deutete auf seine linke Seite, den Unterleib. Bereich des Wurmfortsatzes, dachte Stockstill. Dort saß auch der Schmerz. Deshalb war das Kind ihm vorgeführt worden; Bonny und George hatten sich ernsthafte Sorgen zu machen begonnen. Sie wußten zwar von Edies Bruder, nahmen jedoch an, er sei nur imaginär, ein ersponnener Spielkammerad, mit dem ihre kleine Tochter sich Unterhaltung verschaffte. Zunächst hatte er das gleiche gemutmaßt; wenngleich Edie ständig von einem sprach, war in den Unterlagen über die Entbindung von einem Bruder keine Rede. Bill sei genau so alt wie sie, behauptete Edie. Er sei natürlich, hatte Edie den Doktor in Kenntnis

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