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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Hoppy.
    »Wovor fürchten Sie sich?« wollte der Arzt wissen.
    »Vor nichts« entgegnete Hoppy. »Ich fürchte mich vor nichts in der ganzen Welt.« Da erinnerte er sich an den Zwischenfall im Förstersaal und daran, wie er sich bei der Gelegenheit verhalten hatte. Der gesamte Ort wußte davon, und zweifellos auch Dr. Stockstill, obwohl er an dem Abend gar nicht dort gewesen war. »Ich habe eine Phobie«, machte er auf eine Eingebung hin eine Einlassung. »Fällt so was auch in Ihre Zuständigkeit, oder haben Sie diese Sachen aufgegeben? Es muß damit zusammenhängen, daß ich verschüttet gewesen bin. Ich war an dem Tag, als die ersten Sprengköpfe explodiert sind, in einem Keller verschüttet. Ich bin mit dem Leben davongekommen, aber ...« Er hob die Schultern.
    »Verstehe«, sagte Stockstill.
    »Haben Sie jemals die kleine Tochter der Kellers untersucht?« forschte Hoppy nach.
    »Ja«, antwortete Stockstill.
    »Dann wissen Sie ja Bescheid«, sagte Hoppy mit einer gewissen Schärfe. »Es ist nicht bloß ein Kind, es sind zwei Kinder. Irgendwie ist das eine ins andere gewachsen, Sie wissen wahrscheinlich, wie's gekommen ist, aber ich nicht ... und es interessiert mich auch gar nicht. Es ist'ne Mißbildung, das Kind, oder vielmehr, Edie und ihr Bruder, meine ich. Habe ich nicht recht?« Seine Verbitterung machte sich bemerkbar. »Bloß sehen sie nicht mißgebildet aus. Deshalb läßt man sie als normal durchgehen. Die Leute richten sich nur nach dem Äußeren, stimmt's? Haben Sie das während Ihrer ärztlichen Praxis nicht auch festgestellt?«
    »Mit der Zeit bin ich dahintergekommen, ja«, sagte Stockstill.
    »Ich habe gehört«, sagte Hoppy, »daß nach dem Gesetz alle mißgebildeten Minderjährigen, alle Kinder, die irgendwie mißgebildet sind, ob sie wild leben oder nicht, nach Sakramento zu den Behörden gebracht werden müssen.« Der Arzt äußerte sich nicht dazu; Stockstill sah ihn nur wortlos an. »Sie begünstigen die Kellers bei einem Verstoß gegen das Gesetz«, sagte Hoppy.
    »Worauf haben Sie's abgesehen, Hoppy?« fragte Stockstill nach kurzem Schweigen. Seine Stimme klang dunkel und gleichmäßig.
    »Ni-nichts«, stammelte Hoppy. »Ich meine, ich denke bloß ans Recht. Ich möchte, daß man sich nach dem Gesetz richtet. Ist das etwa verkehrt? Ich halte mich jedenfalls ans Gesetz. Ich bin beim Eugenik-Amt der Vereinigten Staaten gemeldet, und zwar als ...« Das Wort blieb ihm im Halse stecken. »Als biologische Besonderheit eben. Das ist alles andere als schön, so was, aber ich hab's getan. Ich befolge das Gesetz.«
    »Hoppy«, erkundigte der Arzt sich ruhig, »was haben Sie mit dem Brillenmann aus Bolinas angestellt?«
    Hoppy wendete sein Mobil und fuhr zügig davon, ließ den Doktor einfach stehen.
    Was ich mit ihm angestellt habe? dachte Hoppy. Ich habe ihn getötet. Das weißt du genau. Wozu also die Frage? Weshalb scherst du dich überhaupt darum? Der Mann war nicht aus dieser Gegend. Er zählte hier nicht, wir alle wußten es. Und June Raub hat ausgesagt, daß er mich entführen wollte, und das ist für die meisten Leute Grund genug – genug für Earl Colvig, Orion Stroud und Cas Stone, und das sind hier die maßgeblichen Personen, sie haben in der Gemeinde das Sagen, zusammen mit Mrs. Tallman, den Kellers und June Raub. Er weiß, daß ich Blaine getötet habe, vergegenwärtigte Hoppy sich mit aller Deutlichkeit. Er weiß allerhand über mich, obwohl ich mich nie körperlich von ihm habe untersuchen lassen. Ihm ist klar, daß ich Dinge von weitem bewegen kann ... Aber im Grunde genommen ist das hier jedem klar. Allerdings ist er möglicherweise die einzige Person weit und breit, die in vollem Umfang begreift, was das eigentlich bedeutet. Schließlich ist er ein sehr gebildeter Mann.
    Wenn ich diese Imitation Stuart McConchies noch einmal sehe, werde ich zupacken und sie kurzerhand zerquetschen, zu Tode quetschen, dachte er unvermittelt. Ich werde gar nicht anders können. Aber ich hoffe, daß ich sie nicht noch einmal sehe, dachte er. Ich kann Tote nicht ausstehen. Das ist es, dem meine Phobie gilt: dem Grab. Ich bin dort unter den Trümmern mit dem nicht zermalmten Überrest Jim Fergessons begraben gewesen, und das war ein abscheuliches Erlebnis. Zwei Wochen lang in einem unterirdischen Loch mit der Hälfte eines Mannes, der sich Gedanken um mich gemacht hatte, vielleicht mehr als jeder andere. Was würdest du dazu sagen, Stockstill, läge ich zwecks Analyse auf deiner Couch? Hättest du an '

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