Kinder des Judas
fachkundigen Hände Eleonoras hatten sie in eine andere Frau verwandelt, die wesentlich erfahrener und strenger wirkte. Ja, strenger … und anziehender, wie sie selbst fand.
»Jetzt das Kleid, Scylla.« Eleonora half ihr hinein, schnürte das Mieder fester und betonte so die Taille. Behutsam fuhr sie ihr über die langen schwarzen Haare. »Wenn du bald die Perücke tragen wirst, wie es eine Elevin darf, wirst du perfekt aussehen«, befand sie. »Ich könnte neidisch werden, so gut siehst du jetzt schon aus.«
»Ich werde wohl die Einzige in der Cognatio sein, die keine roten Haare hat«, sagte sie abwesend, gefangen und gebannt von der eigenen Reflexion.
Eleonora runzelte die Stirn. »Woher weißt du das? Dein Vater hat es dir nicht erzählt.«
Scylla wurde glühend heiß. »Nein? Vielleicht habe ich es bei der Examinatio …« Ein Blick auf das Gesicht der Elevin genügte, und sie beendete die Ausflüchte. »Ich habe heimlich eine Zusammenkunft belauscht«, gestand sie.
Eleonora schürzte die Lippen, dann lächelte sie. »Meine Mutter sagte bereits, dass sie dich für sehr mutig hält. Wenn sie allerdings davon erfährt, wird sich dich tollkühn nennen.« Sie legte Scylla eine Hand auf die Schulter, und es hatte etwas Liebevolles. »Ich werde ihr nichts sagen, wenn du es nicht möchtest. Und damit du dessen sicher sein kannst, will auch ich dir ein Geheimnis anvertrauen …«
Die beiden jungen Frauen begannen, miteinander zu plaudern, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Sie sprachen über eigene Experimente, über wissenschaftliche Bücher, welche sie gelesen hatten, und über kleinere Ungeschicktheiten, die ihnen bei ihren Stunden in den Laboratorien unterlaufen und mitunter sehr erheiternd gewesen waren. Scylla ließ sich sogar dazu hinreißen, von dem Umbra zu berichten, den sie und ihr Vater gefangen hatten. Ihre neue Freundin war begeistert.
»Mir kam gerade ein Einfall: Darf ich dich meine Schwester nennen?« Eleonoras Augen strahlten. »Uns ergeht es ähnlich,und ich hatte niemals Geschwister, obwohl ich gerne welche wollte.«
Scylla nickte, ohne zu zögern. »Sehr gerne, Eleonora.«
Die Elevin nahm ihre Hände und drückte sie. »Ich freue mich, Scylla!« Dann beugte sie sich vor und umarmte sie. »Wir werden gute Schwestern sein und in der Cognatio immer zusammenhalten, wie es meine Mutter und dein Vater tun.«
Von unten erklang ein lauter Ruf.
»So soll es sein.« Scylla löste sich von ihr. »Ich glaube, man verlangt nach uns.«
»Warte.« Eleonora gab ihr noch etwas Puder auf die Stirn. »Jetzt ist es perfekt.«
Gemeinsam stiegen sie in die Küche hinab, und Scylla sah an Karols Antlitz, welche Wirkung sie in diesem Kleid besaß.
»Wie wunderbar du aussiehst, Tochter!«
Die Baronin hob die Augenbrauen und nickte anerkennend. »Da hat sich aber ein Küken in einen mehr als nur schönen Schwan verwandelt.«
Scylla wollte etwas Freundliches erwidern – und übergab sich.
Scylla lag in ihrem Bett, ihr war schwindelig, und ihre Gedärme hatten sich noch immer nicht beruhigt. Glücklicherweise hatte das wunderschöne Kleid nichts abbekommen, es hing makellos auf einem Ständer neben der Kommode.
Sie hatte sich gleich in ihren Teil der Kammer zurückgezogen, Eleonora hatte sie mit Wasser versorgt und Karol ihr eine Tinktur gegen Übelkeit gebracht. Jetzt lag sie da und wartete, dass das Mittel wirkte.
Plötzlich scharrte etwas von außen an dem schmalen Fenster, und ein Schatten verdunkelte das Mondlicht. »Scylla?«
Sie erkannte die Stimme sofort. »Giure? Was beim Allmächtigen suchst du hier?« Sie richtete sich auf. »Klettere nach unten! Wenn du stürzt, brichst du dir das Genick.«
Er lachte, und sie sah einen Teil seines geliebten Gesichts. »Würdest du meinen Kopf dann eingelegt neben dein Bett stellen, damit ich immer bei dir sein kann?«
»Das ist nicht komisch«, sagte sie besorgt. »Ist etwas geschehen?«
»Ich möchte dich sehen«, gestand er ihr. »Wir haben uns beinahe zwei Wochen nicht mehr getroffen, und ich habe keine neuen Lektionen mehr, die ich lernen kann. Außerdem verzehre ich mich nach dir und deinen Küssen.«
Scylla lächelte und erinnerte sich an die wundervollen Dinge, die sie gemeinsam taten. Leidenschaft war etwas Wundervolles. »Es geht heute nicht. Mir ist nicht wohl.«
»Dann genese auf der Stelle, oder ich springe in den Tod!«, sprach er, und sie musste lachen.
»Hör auf mit dem Unsinn. Es geht wirklich nicht.«
»Dann morgen,
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