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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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Janjas Schicksal hat mich tief getroffen, aber umso glücklicher war ich, als ich hörte, dass du wohlbehalten hier auf mich gewartet hast.« Er stand auf. »Ich habe deine Sachen bereits zusammenpacken lassen, wir fahren gleich los.«
    »Jetzt noch?«, wunderte sich Martin. Seine Stimme klang seltsam belegt, als habe er gerade einen harten Kampf ausgefochten. Dabei stand er doch einfach nur da. »Herr, es ist dunkel, und die Straßen sind nicht die besten. Ganz zu schweigen von Räubern, die …«
    Karol winkte ab. Die Geste war knapp, aber sehr bestimmt und fegte jegliche Vorbehalte des Großknechts zur Seite, was Jitka erstaunte. Normalerweise ließ sich Martin nicht auf diese einfache Weise überzeugen, auch nicht von einem alten Freund. »Ich fürchte mich weder vor Schlaglöchern noch vor verzweifelten Männern. Jitka, ich habe an dir und meiner Frau viel gutzumachen. Deswegen möchte ich so rasch wie möglich mit dem Kadi über Janja sprechen und sie frei bekommen.« Er sah zu Jitka und streckte die Hand aus. »Was sagst du dazu, Tochter? Gehen wir und befreien deine Mutter?«
    Jitka schwieg. Auf der einen Seite hatte der Mann durch seine freundliche Art etwas von ihrem Vertrauen errungen, auf der anderen Seite sagte ihr Verstand, dass sie keinen Beweis dafür hatte, dass Karol wirklich ihr Vater war. Eine warnende Stimme mahnte, dass er ihr Böses antun konnte. Hatte sie Svanja beimHinauslaufen nicht sagen hören, dass der Großbauer sie verkaufen würde?
    Als könne er ihre Gedanken lesen, hob Karol die Hand und lenkte ihren Blick so auf den Ring an seinem Finger. Das Wappen darauf war identisch mit dem aus ihrem Traum. Dieses nächtliche, wunderschöne Trugbild hatte ihr gezeigt, wie die Zukunft mit ihrem Vater sein würde: vereint mit der Mutter, in einem schönen, hellen Haus … Jitka entsann sich genau, welches herrliche Gefühl ihr Traum noch lange nach dem Erwachen bei ihr hinterlassen hatte. Und jetzt stand ein Teil daraus lebendig vor ihr und reichte ihr die Hand.
    Karol nahm ihr das neuerliche Zögern und die Schweigsamkeit nicht übel. »Ich verstehe das, Nachtigall. Ich käme mir sicher ebenso merkwürdig vor, wenn ein Mann vor mir stünde, der behauptet, mein Vater zu sein. Wenn du Martins Worten nicht glaubst, dann vielleicht einem besseren Beweis.« Er langte in die Manteltasche und zog ein zerbrochenes Amulett hervor. »Deine Mutter besitzt die andere Hälfte, nicht wahr?«
    Jitka erkannte es sofort und nickte zögerlich. »Ihr könntet es aber auch von meinem richtigen Vater gestohlen haben.«
Doch woher kennt er meinen Kosenamen,
meldete sich eine leise Stimme in ihr zu Wort.
    »Gott soll mich strafen, wenn ich ein Dieb bin«, antwortete Karol mit einem Augenzwinkern. »Und warum sollte ein Schurke freiwillig ein kleines Mädchen mitnehmen, das bestimmt unentwegt Süßigkeiten und Kuchen verlangt?«
    »Um mich zu verkaufen … an den Sultan«, sagte Jitka, weil ihr nichts anderes einfiel. »Für den Harem.« Es kam ihr selbst dumm vor, was sie von sich gab. Alles, was sie von Karol gehört hatte, stimmte sicherlich. Die letzten Widerstände schwanden, die Sehnsucht nach Geborgenheit und die Aussicht, die Mutter zu sehen, überwanden den mahnenden Verstand. Gleichzeitigbreitete sich ein Gefühl von Wärme und Freude in ihr aus.
Ich habe einen Vater! Und er ist endlich gekommen, um mich zu holen!
    »Nein, kleine Nachtigall. Der Sultan möchte keine Kinder in seinem Harem, das sei dir versichert«, sagte Karol und lächelte sehr glücklich, als sich die kleine Hand zwischen seine Finger legte. Sanft drückte er zu. »Ich kann dir nicht sagen, wie es mich freut, dass du mir vertraust.« Mit diesen Worten führte er sie zu seiner Kutsche. Martin folgte ihnen und brachte den Korb mit Jitkas Kleidern. Als er den Verschlag öffnen wollte, um sie im Innern zu deponieren, hinderte ihn Karol daran, indem er sich vor den Griff schob.
    »Ich mache das schon. Darin sieht es ein wenig wüst aus. Alles, was ich besitze, habe ich hineingestopft, und es käme dir wie eine Flut entgegengesprungen.« Er griff nach den Sachen und half dem Mädchen einhändig beim Besteigen des Kutschbocks; es strengte ihn nicht sonderlich an. »Danke sehr, Martin.« Karol fischte eine Silbermünze aus der Manteltasche und drückte sie dem Großknecht in die schwielige Hand. »Jetzt geh zurück, bevor das Gewitter einsetzt.« Martin nickte und lief davon. Eine wild gestikulierende Anna wollte an ihm vorübereilen, aber er fing

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