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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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sie ab, bevor sie ins Freie gelangen konnte; krachend schlug die Tür zu.
    Jitka hob den Kopf und sah über sich einen sternenklaren Himmel. Nichts deutete auf ein Unwetter hin. »Ich möchte mich noch von den anderen verabschieden«, bat sie. »Und auch beim Großbauern bedanken, weil er mich aufgenommen hat, trotz des Geredes über meinen bösen Blick.«
    »Bei Lubomir habe ich mich bereits bedankt. Den anderen schicken wir einen Brief. Jetzt müssen wir aufbrechen. Das Unwetter nähert sich rasch«, sagte Karol und schwang sich zu seiner Tochter hinauf. Er legte eine Decke und eine Plane aus dickem Segeltuch und Leder, die Schmutz, Wasser und Kälteabwies, über ihre Beine. Die beiden Schimmel schnaubten erwartungsvoll und wollten laufen, obwohl ihnen der Schweiß von der vorherigen Fahrt noch auf den Flanken stand. »Bist du bereit, mit mir in dein neues Leben aufzubrechen?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Jitka etwas schüchtern, da sie der Mut bereits wieder zu verlassen drohte. Zutrauen und neu aufgeflammte Sorge rangen miteinander und gebaren Unsicherheit. Jitka sah zu den Fenstern des Gesindehauses hinüber. Niemand zeigte sich, nicht einmal Anna, um ihr zu winken und wenigstens auf diese Weise alles Gute zu wünschen. Das fand Jitka enttäuschend.
    »Doch«, sagte sie mit fester Stimme.
    »So gefällst du mir.« Er schob den Korb hinter sie unter eine zweite Plane, zurrte diese fest und nahm die Peitsche aus der Halterung. »Du musst keine Angst vor mir haben, Tochter. Niemand kann dich vor allen Gefahren der Welt besser beschützen als ich.« Er sah ihr tief in die Augen.
    »Lass uns fahren … Vater.«
    Jitka stemmte die Füße gegen die niedrige Balustrade des Bocks, Karol schnalzte mit der Zunge und ließ die Peitsche einmal über den Häuptern der Schimmel kreisen; wiehernd trabten sie an und auf das Tor zu.
    Schon nach wenigen hundert Schritten fiel Jitka auf, dass sich Wolken am Himmel auftürmten und vor die Sterne schoben. Immer bedrohlicher wuchsen sie empor und färbten das Firmament pechschwarz, so dass es bald kaum mehr möglich war, irgendetwas außerhalb des Scheins der Lampen zu erkennen, die rechts und links an der Kutsche angebracht waren. Sie fuhren durch eine unheimliche Finsternis, was aber weder die Pferde noch Karol ängstigte. Er spornte sie sogar zu noch höherer Geschwindigkeit an.
    Jitka wandte den Kopf. Die Wolken ballten sich und strebten von allen Seiten auf das Gehöft zu. In ihrem Inneren flackerteund zuckte es, als würden Riesen darin gewaltige Feuersteine aneinanderschlagen und Funken erzeugen.
    Als die Wolken über dem Hof des Großbauern angelangt waren, entluden sich Blitze mit knisterndem, kreischendem Donner, so dass Jitka vor Schreck aufschrie und die Hände gegen die Ohren presste.
    Sie erkannte aufloderndes Feuer an mehreren Stellen in den Dachstühlen der Wohn- und Wirtschaftsgebäude; dann stießen Flammen aus dem Gesinde- und dem Herrenhaus. »Wir müssen zurück!«, rief sie erschrocken.
    Karol warf ebenfalls einen Blick über die Schulter. »Wir hatten Glück, dass wir rechtzeitig wegkamen«, rief er gegen das Donnern an. »Stell dir vor, was die Blitze mit uns gemacht hätten!«
    »Hoffentlich ist niemandem etwas geschehen«, gab sie so laut sie konnte zurück, aber der auffrischende Wind riss ihr die Worte von den Lippen und schleuderte sie in die Dunkelheit.
    Die Kutsche fuhr eine harte Rechtskurve, und plötzlich war das Gehöft nicht mehr zu sehen. Jitka betete für Martin und die Mägde, dass ihnen Gott beistand, das Feuer zu löschen.
    Während sie betete, zählte sie elf weitere Blitze, die dort niedergingen, wo sich der Hof befand.

II.
Kapitel
    4. April 1670
In der Nähe von Belgrad (serbisches Gebiet),
Osmanisches Reich
     
    S ie fuhren die ganze Nacht hindurch. Kurz vor Sonnenaufgang sagte Karol, dass es an der Zeit wäre, eine Pause einzulegen, weil die Pferde zu erschöpft zum Weiterfahren seien. Zuerst wunderte Jitka sich, dass sie abseits des Weges anhielten, doch dann war sie dankbar, sich mit ihrem Vater in der Kutsche zur Ruhe begeben zu dürfen; das Geschaukel auf dem Kutschbock hatte sie sehr angestrengt und Schlaf unmöglich gemacht.
    Als ihr Vater den Verschlag öffnete, erwartete sie eigentlich etwas Geheimnisvolles darin. Doch bis auf die drei großen Koffer, die sich dort stapelten, konnte sie nichts entdecken. Warum hatte Karol Martin dann keinen Blick in die Kutsche werfen lassen?
    Vielleicht hat er sich für den Geruch

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