Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
Vom Netzwerk:
sich an den Vampiren zu schaffen zu machen. Die Angst, dass sie dadurch auch tagsüber aus den Gräbern kommen, sitzt zu tief.« Er bot seinem Gast eine weitere Kelle an, doch der lehnte ab.
    »Was macht ihr, wenn die Kommission befindet, dass Glaserzu besoffen war und es sich bei den Leichen um nichts mehr als tote Körper handelt?«
    »Sie von den Zingaros köpfen und verbrennen lassen«, erwiderte Ignaz augenblicklich. »Aber Sie, Herr von Schwarzhagen, wissen, dass es sie gibt.«
    Viktor lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und nahm den Branntwein, den ihm der Pope zur Verdauung hinschob. »Bleiben die Vampire in ihren Ruhestätten? Warum flüchten sie nicht vor ihrer Vernichtung, anstatt dort zu liegen und zu warten, bis sie einen Pflock durchs Herz bekommen?«
    Ignaz goss sich ebenfalls Alkohol ein. »Es ist die Macht Gottes. Wo wäre die Welt, wenn sie ohne Fesseln umherstreifen könnten? Wir wären alle schon längst ausgesaugt und tot. Der Allmächtige bewahrt uns wenigstens tagsüber vor den Vampiren, die Mutter Gottes sogar in den Nächten der Samstage. Gegen diese Macht vermögen selbst die Dämonen nichts auszurichten.«
    Viktor hatte wieder den Drang, alles aufzuschreiben, was er vernahm. Er würde Abschriften zu seinem Professor nach Berlin senden und ihn um seine Meinung bitten. Er blätterte in seinem Büchlein. »Man wird zu einem Vampir, indem man von ihm heimgesucht wird oder von infiziertem Fleisch gegessen hat«, fasste er zusammen. »Gibt es weitere Möglichkeiten, Vater?«
    Ignaz zuckte mit den Achseln. »Sicherlich. Manche sagen, dass es schon ausreicht, gegen die Gebote der Kirche zu leben und besonders grässliche Sünder ihre Seele den Teufeln und Dämonen in der Hölle übereignen. Ich habe gehört, dass Menschen mit zusammengewachsenen Augenbrauen besonders anfällig seien, nach ihrem Tod als ein solches Monstrum nach Hause zurückzukehren. Und sogar solche, die allzu schlimm fluchen.« Ignaz sammelte die Holzschüsseln ein und stand auf. »Aber fragen Sie die Zingaros, Herr von Schwarzhagen. Sie wissen sicherlich mehr als ich.« Er ging zum Herd und stelltedas Geschirr auf die Anrichte neben eine Waschschüssel. »Eines kann ich Ihnen ans Herz legen: Das Wort Aberglaube gibt es nicht, wenn es um die Dämonen der Nacht geht. Vertrauen Sie deshalb nicht auf das, was man Ihnen bisher beigebracht hat und was sie mit dem Verstand begreifen können, sondern nur auf das Kreuz, sobald es dunkel geworden ist.«
    »Das werde ich, Vater Ignaz.« Viktor erhob sich ebenfalls, warf sich den Mantel über und knöpfte ihn zu. Die Luft in der Kammer war schlecht, und er wollte sich nach der vielen Schreiberei die Beine vertreten. »Bis zum Einbruch der Dämmerung bin ich zurück.«
    Ignaz räumte die Schalen in die Schüssel und sah über die Schulter. »Das rate ich Ihnen.«
     
    Viktor hinkte in die graue Kälte, in der er kaum mehr als zwei Armlängen weit sah. Unter dem Mantel trug er sein Notizbuch, in der rechten Jackentasche einen in einem Etui verwahrten Kiel und ein Tintenfass.
    Er streifte lange umher, ließ die Stimmung auf sich wirken und beneidete diese Menschen nicht um ihr Leben. Es war trostlos, kalt und feucht. Die Lausitz mit ihren Ebenen besaß eine gewisse Ähnlichkeit, doch ihr fehlte das Triste und Unheimliche.
    Er bewegte sich ohne ein wirkliches Ziel durch Medvegia, bis er merkte, dass er beim Einbruch der Dämmerung durch das Friedhofstor schritt. Die Gräber ließen ihn nicht los.
    Ignaz hatte recht behalten. Auf den Ruhestätten, in denen die Vampire lagen, türmten sich die Steine kniehoch, und mitten hinein waren lange Stangen gesteckt worden.
    Viktor überlegte, wie lang er bis zum Haus des Popen benötigte. Mit etwas Anstrengung würde er vor der Nacht in den sicheren vier Wänden ankommen, aber vorher wollte er sich die Sicherung der Gräber näher anschauen.
    Er trat heran und spürte, wie weich der schneefreie Bodenwar. Seine Vorstellungskraft gaukelte ihm das Bild eines Vampirs vor, der sich knurrend und heulend durch die lose Erde nach oben grub. Viktor starrte nach unten, Furcht ergriff ihn und berührte ihn eisig kalt im Nacken.
    »Ein so mutiger Mann kann nicht aus dem Dorf sein«, sagte eine Frau hinter ihm auf Deutsch, und er schreckte zusammen; seine linke Hand hob den Stock halb zum Schlag, während er sich umdrehte.
    Er schaute in das anmutige Gesicht der jungen Frau, die er vor einigen Tagen am Fenster gesehen hatte! Ohne das beschlagene Glas zwischen sich

Weitere Kostenlose Bücher