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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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Schwarzhagen«, begrüßte er Viktor und machte Platz, damit er eintreten konnte. »Danke, Libor.«
    Der Dhampir sagte ein paar unverständliche Worte, salutierte wie ein Soldat, grinste aber dabei und kehrte in den Nebel zurück.
    Viktor begab sich in das Haus, setzte sich an den Ofen und wärmte sich. »Es tut mir leid, dass ich für Unruhe gesorgt habe«, sagte er zu dem Geistlichen, der ihm einen Becher Kräutersud reichte.
    »Sie haben Ihr eigenes Leben in Gefahr gebracht, nicht meins. Und die Zingaros haben keine Angst vor den Untoten, wie Sie gesehen haben.« Ignaz setzte sich neben ihn. »Libor meinte, Sie wären einer Frau begegnet, die sich wie eine Adlige kleidete.«
    Er nickte. »Sie nannte sich Baronin …« Viktor stutzte. Er hatte ihren Namen vergessen. »Ich habe sie in der Nacht bei unserer Ankunft schon einmal hier gesehen. Sie ist auf einem Gehöft in der Nähe des Dorfes abgestiegen, wie sie mir sagte, und nimmt Anteil an dem, was hier vor sich geht.«
    »Eine Baronin in Medvegia?« Ignaz grübelte. »Sie muss von weiter weg stammen. Ich jedenfalls kenne keine. Und auch kein Gehöft in der Nähe.«
    Viktor sah in seinen Becher. Der Tee schaffte es nicht, den Zimtgeschmack zu vertreiben, und schon erinnerte er sich wieder an den Kuss.
    Sofort erwachte das schlechte Gewissen in ihm, und er nahm die Uhr heraus, um das Bildnis von Elvira zu betrachten und die Erinnerung an sie, an ihre gemeinsame, schöne Vergangenheit und die Trauer zurückzuholen.
    Es war verschwunden.
     
    22. Dezember 1731
Habsburgisches Territorium (serbisches Gebiet)
     
    Scylla saß in der Bibliothek über den entschlüsselten Aufzeichnungen ihres Vaters, in denen er sich mit der Geschichte der Kinder des Judas beschäftigte, doch in Gedanken befand sie sich bei Viktor.
    Es war zu ärgerlich gewesen, dass die Zingaros in jenem Moment aufgetaucht waren, sonst hätte sie den jungen Deutschen in ihren Schlitten gelockt und säße nun mit ihm zusammen in der Mühle. Sie seufzte, als sie an die vielen Dinge dachte, die sie mit ihm gerade tun könnte …
    Alles war durchdacht gewesen, vom betörenden Parfüm bis hin zu dem leichten Betäubungsmittel, das sie auf ihrer Zunge verteilt hatte. Es hatte sie keine Stunde gekostet, Duftwasser und Zimtmischung anzurühren – doch inzwischen war sie sicher, dass sie diese Mittel bei Viktor gar nicht benötigt hätte; er zeigte auch so reges Interesse an ihr.
    Scylla drehte den Docht höher, damit sie mehr Licht hatte. Sie nahm das winzige Porträt ihrer Rivalin zur Hand, das auf dem Tisch lag, und betrachtete die Frau, die vermutlich irgendwo in der Lausitz saß und auf die Rückkehr ihres Geliebten hoffte.
    »Wollen wir einmal abwarten, ob ich ihn dir zurückgebe«,murmelte sie und warf das Bildnis in das Lampengehäuse; es fing sofort Feuer, und qualmend vergingen Ölfarben und Leinen. »Aber es sieht schlecht für dich aus.«
    Scylla hielt den jungen Deutschen für einen schlauen Menschen, und dass er wissbegierig war, bewies er mit seinen Nachforschungen über die Vampire. Sie hatte ihn in einem belauschten Gespräch über einen Universitätsbesuch sprechen hören, er konnte also gar nicht einfältig sein. Gute Voraussetzungen. Es war ihr in den Sinn gekommen, Viktor zu ihrem Eleven zu machen, ganz gleich, was die Cognatio und der Ischariot sagten. Da sie die Versammlung ohnehin verlassen würde, spielte es auch keine große Rolle.
    Sie sah auf die handgeschriebenen Zeilen ihres Vaters. Beim Gespräch mit Lydia würde sich alles entscheiden. Unter Umständen wäre sie nicht die Einzige, die der geheimen Gesellschaft den Rücken kehrte. Alles hing davon ab, wie ihre Freundin auf die Wahrheit reagierte.
    Das Türglöckchen läutete, Scylla erhob sich und ging nach oben. Den Winter über war der Müller nicht hier, so dass niemand etwas von den Vorgängen in der Mühle mitbekam. Der Wald und die Nacht schützten sie vor ungebetenem Besuch.
    Scylla schaute aus dem schmalen Fenster neben der Tür. Vor dem Eingang wartete eine Frauengestalt in einem weiten weißen Mantel, ein paar Schritte von ihr entfernt stand ein Schlitten. Es war wichtig, die verräterischen Kufenspuren später von einem leichten Wind verwehen zu lassen. Sie öffnete die vielen Riegel, die sie beim Neubau noch massiver hatte anfertigen lassen als diejenigen, die ihr Vater benutzt hatte, und begrüßte Lydia. »Wie schön, dich zu sehen!«, rief sie und umarmte sie. Der lange, innige Kuss, den sie tauschten, hätte zu einem

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