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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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    1. Januar 1732
Habsburgisches Territorium (serbisches Gebiet)
     
    Die Cognatio versammelte sich vierzehn Tage später im Palast von Baronin Lydia Metunova.
    Scyllas Kutsche näherte sich dem stattlichen Bau mit den beiden kleinen Türmen, an dem auf den ersten Blick nichts ungewöhnlich erschien. Doch die Fenster waren mit Jalousien versehen, die das Sonnenlicht vollständig abwehrten. Im Inneren, das wusste Scylla, sorgten dicke, schwere Vorhänge für eine zweite Absicherung.
    Ihre Freundin war schlau. Lydia besaß ausschließlich blindeDiener, die sich sicher selbst im Stockdunklen bewegten; für gelegentliche Ausflüge und Besorgungen hielt sie sich einen Kutscher, der nichts hinterfragte und den nichts erschütterte. Er hatte Scylla abgeholt.
    Sie trug das blaue Kleid, das identisch mit demjenigen war, das sie einst von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte. Durch die Einfachheit würde sie neben den angeberischen Garderoben der Baroninnen und Barone auffallen, ein durchaus gewollter Effekt in dieser Nacht der Nächte.
    Sie sah aus dem Fenster. Der Palast war umgeben von einem verwilderten Park; einzig die Kiesauffahrt zum Anwesen war stets frisch geharkt und freigeschnitten, ansonsten gab es für alles, was größer war als eine Katze, abseits des Weges keinerlei Durchkommen.
    Die Kutsche bog in das Rondell ein, das sie unmittelbar vor den Eingang des Palastes führte. Scylla stieg aus und wurde von einem der Diener empfangen und sogleich die Treppe hinauf und durch das Portal in die Eingangshalle geführt.
    Den Spuren auf dem Boden nach zu urteilen, waren schon einige vor ihr angekommen, die sich vor der Ankunft auf sehr dreckigem Terrain bewegt hatten. Alle auf dem
gleichen
dreckigen Terrain.
    Sie argwöhnte, dass sich einige der Cognatio an einem anderen Ort getroffen und verabredet hatten. Scylla tastete nach ihrem Dolch, um sich zu vergewissern, dass sie ihn dabeihatte; die Waffe ihres Bruders hatte sie in ein Holzkistchen gelegt. Sie wollte die Cognatio nicht als Diebin verlassen.
    Nach einem Korridor und zwei kleinen Quergängen erreichten sie die Tür zum Salon, in dem die Versammlung stattfand.
    Scylla trat ein und schenkte den vielen Gemälden mit den Vorfahren ihrer Freundin keine Beachtung. Dafür war sie zu oft hier gewesen.
    Der ganz in poliertem Marmor gehaltene Raum war hell erleuchtet,Kristallleuchter fluteten ihn mit Licht; das Feuer im Kamin hinter dem Sitz des Ischariot flackerte und loderte, es war sehr warm. Große Spiegel an den Seitenwänden schufen die Illusion, der Raum sei doppelt so groß.
    Außer Scylla waren erst fünf Baroninnen und Barone anwesend, darunter auch Marek. Lydia sowie der Ischariot und die anderen befanden sich bereits bei einem leisen, angeregten Austausch, der sofort endete, als sie den Raum betrat.
    Scylla ging auf Marek zu und überreichte ihm das Kistchen mit dem Dolch darin, ohne ihn anzuschauen, danach nickte sie Lydia zu, die sie anlächelte. Der Versuch, in ihren blauen Augen mehr als Freundlichkeit zu erkennen, scheiterte. Scylla hoffte sehr, dass es keine Feindschaft zwischen ihnen geben würde.
    Sie begab sich an ihren angestammten Platz und merkte, wie sie von Baron Rubin angestarrt wurde. »Kann ich Euch behilflich sein, Baron?«
    Er deutete auf den leeren Tisch vor ihr. »Habt Ihr Eure Unterlagen vergessen?«
    »Welche Unterlagen?«, erkundigte sich Scylla liebreizend. »Ihr habt doch gesehen, dass ich beim Hereinkommen nur die Holzkiste bei mir trug.«
    Rubin brummelte vor sich hin. »Demnach gibt es aus Eurem Laboratorium nichts zu vermelden.«
    »So ist es, werter Baron Rubin.« Scylla lächelte. »Mehr noch: Ich habe die Arbeit eingestellt.«
    »Was?« Er schaute zu Marek, dann zum Ischariot. »Fehlt es Euch an Substanzen, die Ihr …«
    Scylla lachte auf. »Baron, Ihr werdet Euch gedulden müssen, bis ich Euch und allen anderen in der Cognatio erkläre, warum ich nicht mehr forschen werde.«
    Der Ischariot besah sie sich sehr genau. Er hatte wenig Ähnlichkeit mit dem früheren Vorsitzenden Jaminski, sondern warein ansprechender Mann mit durchdringender, fester Stimme und einem Blick, der Wände sprengte. Er bevorzugte schwarze Kleidung, was ihn zusammen mit der weißen Perücke noch eindrucksvoller erscheinen ließ. Er regierte die Cognatio mit eiserner Hand und ließ keine Nachlässigkeiten durchgehen, seine Strafen waren hart. Vor seiner Berufung war er einer der Barone gewesen, die gegen Scylla gestimmt und sie zum Tode

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