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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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Seuchen und Leiden helfen. Und auf den jungen Deutschen, der in Medvegia tapfer auf dem upirverseuchten Flecken ausharrte und sich ebenfalls benahm wie ein angehender Forscher, war sie noch viel mehr gespannt. Es regten sich Gefühle für ihn in ihr.
    Schnelle Schritte näherten sich ihr, und sie wandte sich um.
    Vor ihr stand Lydia. »Ich wollte dir Glück wünschen, Scylla«, sagte sie aufrichtig.
    »Was beratschlagt man über mich?«
    »Alles«, antwortete sie ehrlich. »Marek verlangt, dass der Ischariot dich gefangen nimmt und dich foltert, bis die Wahrheit ans Licht kommt.« Sie reichte ihr die Hand und streichelte sie in der Art, wie sie es zu den zärtlichen Zeiten getan hatte.
    Scylla sah ihr in die Augen. »Lydia, begleite mich«, bat sie. »Lass die Cognatio …«
    »Das kann ich nicht«, erwiderte die Baronin und presste die Lippen aufeinander. »Mein fester Wille ist es, älter als alles Natürliche zu werden, und dazu muss ich forschen. Mag sein, dass wir Upire sind, doch die Regeln der Cognatio machen uns zu etwas Besserem. Auch wenn du es anders siehst.« Sie lächelte. »Aber ich werde nicht zu denjenigen gehören, die sich gegen dich wenden, das verspreche ich dir. Unsere Begegnungen in der Zukunft werden friedlich verlaufen. Wann auch immer, wo auch immer.« Lydia gab ihr einen Kuss auf den Handrücken, wandte sich um und schritt durch den Korridor zurück. »Achte auf den Deutschen«, sagte sie im Weggehen. »Ich bin sehr sicher, dass Marek seine Wut an ihm auslassen möchte.«
    Scylla setzte ihren Weg zum Ausgang fort. Als sie die Stufen zur Kutsche hinabstieg, streifte sie mit der Rechten die hohe Weißhaarperücke von ihrem Kopf und schleuderte sie achtlosauf die Treppe. Damit war ihre Zugehörigkeit zur Cognatio endgültig abgeworfen.
    Sie stieg ins Innere des Gefährts, und während ihre Reise nach Hause begann, dachte sie darüber nach, was sie als Nächstes zu tun hatte.
    Leider befanden sich sehr viele Dinge auf ihrer Liste.
     
    7. Januar 1732
Medvegia
     
    Viktor stand zusammen mit den Dorfbewohnern um das Feuer, in dem die abgeschlagenen Schädel der Vampire verbrannten.
    Er hatte sich aus einem Brett eine Schreibunterlage gemacht, die er vor dem Bauch trug und mit einer Schnur um den Hals sicherte. So vermochte er im Gehen zu schreiben und konnte seine Eindrücke unmittelbarer zu Papier bringen.
    Libor und seine Sippe hatten einen kleinen Scheiterhaufen für die Köpfe errichtet, dessen unterste Lage aus Kohle bestand, damit die Hitze die Knochen zum Bersten brachte und sie in Asche verwandelte. In einem normalen Feuer aus Holz hätte das zu lange gedauert.
    Viktor notierte jede Kleinigkeit des Vorgangs und suchte nach Unregelmäßigkeiten oder ganz besonderen Begebenheiten. Zuerst waren die Haare qualmend vergangen, danach hatte sich die Haut verfärbt, Blasen geschlagen und war verkohlt, dem Fleisch darunter erging es ebenso. Er hörte es immer wieder zischen oder pfeifen und sah dunklen Rauch aufsteigen, denn die Köpfe waren voller Blut und Flüssigkeit. Es kam ihm beinahe so vor, als wehrten sich die Schädel gegen die Hitze.
    Libor schürte die Flammen mit einem langen Stock und schlug auf die Schädel, damit sie rascher zerfielen. Vater Ignaz predigte und betete für die unglücklichen Seelen seit dem frühenMorgen, und seine Stimme klang heiser und kaum mehr wahrnehmbar.
    Libor gesellte sich zu Viktor. »So, Niemez. Sie dürfen in dieser Nacht beruhigt schlafen. Es sind alle Blutsauger vernichtet worden.« Er zeigte in die tanzenden Flammen, deren Farbe sich gelegentlich veränderte. »Das Feuer hat sie ausgebrannt und die Dämonen, die in ihnen wohnten, zurück in die Hölle gesandt.« Der Zingaro sah zum Popen. »Hoffen wir, dass seine Gebete die armen Seelen retten.«
    Viktor musste die Luft anhalten, als der Wind sich drehte und er von einer stinkenden Wolke eingehüllt wurde. »Was tust du mit der Asche?«
    »Das, was der hochlöbliche Regimentsfeldscherer verlangte, nachdem ich es ihm gesagt habe.« Libor grinste. »Ich kehre die Reste zusammen und trage sie in einem Eimer zum Fluss. Die Morava, das fließende Wasser, macht dem Bösen endgültig den Garaus.«
    »Das fließende Wasser wirkt demnach gegen sie?«
    »Bei manchen.« Er nickte. »Aber fragen Sie mich nicht, warum es so ist. Andere verfolgen einen schneller zu Fuß durch einen Fluss oder über eine Brücke, als ein sterbliches Wesen laufen kann.«
    Viktor schrieb mit eiskalten Fingern, und je mehr er Libor reden

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