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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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steckte es in den Mantel. »Sie sind bei unserem letzten Treffen sehr rasch verschwunden …« Viktor gingen die Worte aus, weil sich eine zunehmende Leere in seinem Kopf ausbreitete. Das Parfüm machte ihn schwindelig.
    Sie senkte den Kopf. »Es war mir unangenehm, dass ich Sie mit meinen Avancen sichtlich überrumpelt hatte, und auch mir erschien mein Verhalten unangemessen. Selbst wenn ich den Kuss sehr genossen habe.« Ihre schlanken, behandschuhten Finger hielten wie aus dem Nichts ein letztes Blatt in der Hand. »Sehe ich das richtig, dass Sie mich in der Tat auf die Seite der Vampire rechnen?« Sie hielt ihm das Beweisstück entgegen und bekreuzigte sich. »Bei den Heiligen, was für einen Eindruck habe ich bei Ihnen nur hinterlassen?«
    Viktor fühlte sich in Verlegenheit gebracht. »Ich wollte Sie keinesfalls mit den Monstren vergleichen, die in diesem Ort ihr Unwesen getrieben haben, doch Sie erscheinen mir derart … geheimnisvoll und rätselhaft, dass es mir nicht anders in den Sinn kam. Plötzlich tauchen Sie auf und verschwinden ebenso rasch wieder, niemand kennt Sie oder hat Sie und Ihren Schlitten gesehen.« Er zuckte mit den Schultern. »Verzeihen Sie mir, aber ich sah in Ihnen ein wahres Mysterium, Baronin. Wie in den Vampiren.«
    »Das Mysterium steht nun leibhaftig vor Ihnen.« Die junge Frau lächelte versöhnlich und steckte ihre Hände wieder in den Muff. »Jetzt klingt es doch gleich viel angenehmer, wenn Sie erklären, wie Sie es gemeint haben. Vielleicht sollten Sie die Formulierungen in Ihren Aufzeichnungen noch einmal überarbeiten?« Sie schaute zu den zerfallenen Schädeln. »Da gehen sie hin, die Plagegeister.« Die dunkelgrauen Augen richteten sichauf ihn. »Nachdem die Gefahr gebannt ist, was werden Sie nun unternehmen, Herr von Schwarzhagen? Die Pelze kaufen, die Sie mit nach Hause bringen sollen?«
    »Nein. Ich suche weitere Vampire«, erklärte er und schlug zur Bekräftigung gegen seine Manteltasche, dabei sog er ihre Züge in sich auf, prägte sich jede noch so winzige Kleinigkeit ein. Die Baronin besaß so viel mehr Ausstrahlung als alle Frauen, die er kennengelernt hatte. Der Schwung ihres Mundes, jedes Blinzeln, die Blicke, sogar die Bewegungen ihrer Hände verströmten Anmut und einen übernatürlichen Zauber, der ihn zwang, sich nur auf sie zu konzentrieren.
    »Etwa allein?«
    »Wo denken Sie hin? Ich habe mich bei den Zingaros eingekauft und werde Libor und seine Sippe begleiten. Er ist ein Dhampir«, erklärte er. »Er ist ein wunderbares Original und der erste Mann, der eine derartig merkwürdige Profession erlernt hat.«
    Die Baronin schaute zu dem Mann, der mit dem Rücken zu ihnen arbeitete und die größeren Knochensplitter in einen Eimer gab, um sie mit einem Butterfassstößel zu kleinen Stückchen zu zermahlen. »Ein Dhampir«, wiederholte sie nachdenklich. »Ich möchte Sie vor den Zingaros warnen, Herr von Schwarzhagen. Man hat Unbesonnene, die sich mit ihnen einließen, schon mit aufgeschlitzten Hälsen am Wegesrand aufgefunden.«
    »Da ich keine Münze mehr besitze, bleibt mir dieses Schicksal wohl erspart. Aus Habgier wird man mich nicht umbringen können.« Viktor lachte. »Dennoch meinen Dank für Ihre Worte.« Er liebte es, ihre Züge zu betrachten. »Wo befindet sich Ihr Schloss noch gleich, Baronin?«
    »Es ist weit weg von hier, wie ich bereits anmerkte. Sonst hätte ich Sie schon längst zu mir eingeladen.« Sie atmete ein. »Ich bin hier, um mich von Ihnen zu verabschieden. Undnatürlich, um mich für mein ungebührliches Verhalten zu entschuldigen.«
    Viktor räusperte sich. »Ich bitte Sie, Baronin.« Er wusste nicht, was er noch sagen sollte. Beinahe wäre ihm entschlüpft, dass sie sich gerne noch einmal ungebührlich verhalten dürfte und dass es ihm eine Freude wäre, sie zu ihrem Schloss, oder wo auch immer sie wohnte, begleiten zu dürfen – wenn die Untersuchung der Vampire nicht gewesen wäre. Die Anziehung zu ihr war stark, sehr stark, doch der Wissenshunger überlagerte dieses Begehren.
    Ein schlechtes Gewissen wegen Susanna empfand er nicht, für die Frau in der fernen Lausitz brachte er inzwischen kaum mehr Gefühle auf. Und Elvira war tot, eine Erinnerung, die angesichts dieser Frau mehr und mehr verblasste.
    Die Baronin sah ihm in die Augen, dann lächelte sie wissend, als hätte sie darin etwas Vertrautes erkannt. Oder seine Gedanken gelesen. »Sie sind ein Mann, den es sehr nach Wissen drängt. Ich verstehe das gut. Wir haben

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