Kinder des Judas
kann nach einem Weg forschen …«
Er trat hinaus. »Grüß mir das Meer.« Viktor verschwand aus Scyllas Sicht.
Wie erstarrt stand sie auf der Schwelle. Das Wechselbad der Gefühle, in das sie geworfen worden war, drohte sie endgültig über den Rand des Erträglichen hinwegzutragen.
Doch dann kehrte Scyllas Trotz zurück.
»Warte«, rief sie und folgte ihm. »Ich lasse nicht zu, dass du uns aufgibst! Ich schwöre dir, ich werde einen Weg finden, den Dämon aus dir zu treiben!« Sie lief ins Freie – und blieb entsetzt stehen.
Jetzt rächten sich ihre Unachtsamkeit und ihre Nachlässigkeit auf grausamste Weise.
Zwanzig Schritte von ihr entfernt standen vier Barone und zwei Baroninnen, zu ihren Füßen lag Viktor. Aus seiner Brust ragte ein Pflock, und Mareks rechter Fuß stand auf dem abgetrennten Kopf ihres Geliebten!
»
Ich
habe bereits einen Weg gefunden, um ihn von seinem Fluch zu erlösen«, sagte er in die Runde, und die Vampire lachten. »Bestrafen wir die Verräterin für das, was sie unserer Gemeinschaft angetan hat!«
Carzic stieß einen Pfiff aus, und zwei Umbrae sprangen aus dem Unterholz, kauerten sich zu seinen Füßen nieder und richteten die Köpfe auf Scylla.
Sie konnte nur auf Viktors Leiche starren.
Nun gab es nicht einmal mehr den Hauch einer Möglichkeit, ein gemeinsames Leben zu beginnen. Mareks Tat hatte das auf immer unmöglich gemacht.
Bevor die Umbrae sie erreicht hatten, nahm Scylla ihre Windgestalt an und ließ sich davontragen.
In dieser Verfassung hätte sie den Kampf nicht gewinnen können.
4.
BUCH
Tod
XXIII.
Kapitel
23. Dezember 2007
In der Nähe von Belgrad, 21.59 Uhr
I ch starre die Vampirin an, die enggeschnittene schwarze Thermokleidung trägt. »Es war ein Fehler anzunehmen, dass du tot bist, Irina«, grüße ich sie.
»Das war es zweifellos.« Sie nickt und wiegt das Schwert in ihrer Hand. »Als ich von deiner Rückkehr hörte, musste ich einigen von uns Bescheid geben und herkommen, um das Wunder mit eigenen Augen zu sehen. Ich habe den Pakt neu ausrufen lassen.«
Ich betrachte sie. »Wie … kann es sein, dass du noch lebst?«
»Du meinst, weil ich
Abschaum
bin?« Sie lacht mich aus. »Ich denke, dass ich das Privileg des ewigen Lebens dir verdanke. Seit ich dich im Wohnwagen der Zingaros gebissen habe, hat sich vieles verändert. Ich dachte lange darüber nach und kam zu dem Schluss, dass es dein Blut war, das mich alle von uns überleben ließ.«
Die Augen des glatzköpfigen Murony verengen sich. »Es sind mir deutlich zu viele von uns versammelt.« Er sieht sich demonstrativ um. »Wie viele Gelegenheiten in euren Leben gab es, in denen sich sechs verschiedene Vampire an einem einzigen Ort begegneten?«
Irina packt den Griff des Schwertes fester. »In den alten Tagen. Früher gab es das schon einmal, du bist zu jung, um es erlebt zu haben. Aber du wirst von ihm gehört haben: dem Pakt gegen die Kinder des Judas, und solange er gilt, tun wir uns gegenseitig nichts. Wir brauchen den Zusammenhalt, um dieBrut der Überheblichen endgültig aus der Welt zu schaffen. Mit ihrem Erscheinen«, dabei deutet sie auf mich, »ist er wieder in Kraft getreten. So sehe ich es zumindest.«
Der Murony hat die Hand immer noch auf meinem Körper, weswegen ich es nicht wage, ihn zu einem neuerlichen Angriff auf meine Lebenskraft zu provozieren. Es wäre ihm ein Leichtes, mich zu töten. Und von diesem Pakt habe ich noch nie gehört. Der Murony anscheinend schon, er sieht Irina an. »Es stimmt. Von dem alten Bündnis weiß ich, und ich schließe mich gerne an.«
»Ausgezeichnet! Es hat sich gelohnt, dass ich in den vielen Jahrhunderten die alten Quartiere der Cognatio nie aus den Augen ließ. Ich wusste, dass uns einer von ihnen entkommen ist«, offenbart Irina und sieht zu mir. »Hast du gehört, dass ich es war, der den Aufstand gegen die Kinder des Judas angeführt hat?«
Ich schüttele langsam den Kopf. »Nein. Ich dachte, dass die Gemeinschaft zerfallen sei …«
Irina reckt sich und lächelt. »Weil es keine Geheimnisse mehr gab. Dein Viktor hatte mir damals viel verraten, und das Wissen teilte ich gerne mit anderen Vampiren. Gemeinsam schüttelten wir die Unterdrückung ab.« Sie sieht zur Seite. »Verwandle dich, Vieszcy. Wir haben Waffenstillstand, solange wir nicht wissen, was hier vor sich geht.«
Der Luchs setzt sich auf die Hinterbeine und senkt den Kopf, dann knistert und knackt der Leib, der sich mehr und mehr dehnt, streckt und verformt, bis sich
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